Mann auf den Knien  Das Zimmer, in dem ich mich befand, war klein. Es schien fast zu klein, selbst für die teigige Hand, die auf der Schreibtischkante ruhte, bewegungslos, und einen dicken Stift wie ein Zimmermannsbleistift hielt. An der Hand war ein Handgelenk, so haarlos wie eine Glatze. Eine Manschette mit Manschettenknopf, nicht zu sauber, ragte aus einem Rockärmel. Der Rest des Ärmels verschwand hinter dem Schreibtisch.

Der Schreibtisch war keinen Meter achtzig breit. Es konnte also kein sehr großer Mann sein. Von der Stelle, an der ich stand, konnte ich nur seine Hand und den Ärmel sehen.

Ich ging leise durch das Vorzimmer zurück und verriegelte die Tür, daß niemand sie von außen öffnen konnte, löschte die drei Lampen und ging wieder in das Zimmer, um das eine Ende des Schreibtisches herum.

Es war wirklich ein fetter Mann, enorm fett, viel fetter als Anna Halsey. Sein Gesicht, beziehungsweise das, was ich davon sehen konnte, hatte ungefähr die Größe eines Basketballs. Es war von einem angenehmen Rosa, selbst jetzt. Er kniete auf dem Boden. Sein großer Kopf lehnte gegen die scharfe Kante des Seitenteils, seine linke Hand lag flach auf dem Boden. Darunter ein Stück gelbliches Papier.

Seine Finger waren gespreizt, soweit diesen fetten Fingern das möglich war. Dazwischen war das gelbe Papier zu sehen. Es sah aus, als ob er es fest gegen den Boden drückte, aber das tat er in Wirklichkeit gar nicht. Was ihn aufrecht hielt, war sein eigenes Fett. Sein Körper ruhte auf seinen prallen Oberschenkeln, deren Dicke ihm in seiner knienden Stellung Halt gab. Zwei kräftige Rugbyspieler hätten zu tun gehabt, um ihn umzuwerfen. Das war in diesem Augenblick kein sehr freundlicher Gedanke, aber er ging mir trotzdem durch den Kopf. Ich ließ mir Zeit und wischte mir erst einmal den Nacken mit dem Taschentuch ab, obwohl es kein besonders warmer Tag war.

Sein Haar war grau und kurz geschnitten, und sein Nacken hatte so viele Falten wie ein Akkordeon. Sein Füße waren klein, wie die Füße von fetten Leuten es oft sind, und sie steckten in schwarzen, glänzenden Schuhen, die seitlich dicht nebeneinander auf dem Teppich lagen, ordentlich und ekelhaft. Er trug einen dunklen Anzug, der gereinigt werden mußte.

Schließlich beugte ich mich vor und grub meine Finger in das grundlose Fett seines Halses. Irgendwo in dieser Gegend mußte er eine Schlagader haben, aber ich konnte sie nicht finden, und es war eigentlich auch gar nicht erforderlich. Während ich neben ihm stand, war der dunkle Fleck auf dem Boden ständig größer und größer geworden.  - Raymond Chandler, Gefahr ist mein Geschäft. Frankfurt am Main und Berlin 1966

Mann auf den Knien (2)

- Eric Stanton

Mann auf den Knien (3)

- N. N.

Mann auf den Knien (4)

- N. N.

 

Mann Knien

 

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