ann,
keuscher
LASZIV MIT DEN LIPPEN, KEUSCH IN DER SEELE — ich bin
der Verzweifler, der nie sich Rast gönnt. Die Hetzjagd in meinem Innern bellt
heiserer schon, weil ich erschöpft bin, ich lasse die Zunge hängen wie ein müder
Hund, mein Atem zerstößt mich, nur mein Herz will kein Ende nehmen. Zu große
Macht ist gegeben den Weibern durch das Öffnen und Schließen ihrer verdammten
Schenkel. Warum muß ich eingehn in den verfluchten Ort, warum stürz ich mich'in
die Höhle und Hölle der Lust, warum gähnt mich an, ewig unersättlich, der zweite
Rachen des Todes. Spuck hinein und geh vorbei! Ich hasse diese Austeilerinnen
von lumpigen Gnaden, die Schenkerinnen des Elends, die Vorenthalterinnen des
filzlausigen Glücks, die umständlich das Nichts zelebrieren. Sie können nicht
geben, die Hand halten sie vor das Feigenblatt, das sie nur vor diesen Mund
nehmen. Naht ein Reiner aus den Gefilden des Lichts und bittet um Labung, lockt
ihn die Hure hurtig ins Dickicht, fängt seine Seele und läßt seinen Leib schimpflich
verkümmern. Kommt aber ein Köter vorbei, ein geiler Schnüffler, hebt sie ihm
das dritte Bein, schlürft den Abschaum seines Körpers wie ein Nachttopf
— windet sich vor Verzückung in allen Krümmungen der Wollust. Die Tränen
des Engels trinkt sie fröhlich, den Schwanz des Teufels im Leib. - Albert Ehrenstein, Briefe
an Gott,
nach A.E.: Gedichte
und Prosa. Neuwied u.a. 1961
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