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gebrochener Ob Heinrich Sklarz ein tüchtiger oder gar ein tadelloser
Geschäftsmann ist, darüber wird man streiten. Aber
daß er einer der genialsten Angeklagten ist, die je Moabit bemüht haben, darf
nicht bezweifelt werden: fast schade - er spielt vor leeren Bänken. Der kleine
Schwurgerichtssaal erscheint im ersten Augenblick als ein zu großer Rahmen für
den kleinen, mageren Mann mit dem stark angegrauten Lockenkopf, mit den tief
in schwarzen Höhlen liegenden Augen, mit den vielen harten Furchen in dem schmerzlichen
Schauspielergesicht. Anfangs spricht er so leise, daß er kaum verstanden werden
kann, die Hände zittern, und er kann nicht zuhören, ohne tickartig mit dem Kopf
zu wackeln - zuweilen scheinbar bejahend, dann wieder verneinend. Heinrich Sklarz,
einst Inhaber eines Warenversandhauses, politisch viel bewandert, der rührige
Betreiber zahlloser Sanierungen - macht fast den Eindruck eines gebrochenen
Mannes. Zögernd und leise fallen die Worte von seinen Lippen. Es kommt ihm auch
nicht darauf an, baren Unsinn zu reden, so, wenn er nach den Geldmitteln seiner
Schwiegermutter gefragt wird.
»War Ihre Schwiegermutter eine wohlhabende Frau?«
»Möglich.«
»Das müssen Sie doch wissen?«
»Es ist dreißig Jahre her.«
»Hat Ihnen Ihre Schwiegermutter nicht viel Geld gegeben?«
»Sie hat mir Geld zur Verfügung gestellt.«
»Wozu?«
»Ins Geschäft.«
»Die Anklage nimmt an, daß Ihre Schwiegermutter Ihnen das Geld privatim gegeben hat, für Ihren Lebensunterhalt . . .«
»Zwischen geschäftlich und privat sehe ich keinen Unterschied.«
Aber dieser Unsinn ist - man ahnt es nur von ungefähr - ulkumwittert. Der Ulk kommt zutage, wenn der Staatsanwalt auf Vertagungsanträge des Verteidigers klagt: Dem Sklarz käme es nur darauf an, den Prozeß zu verschleppen, immer wieder sei er aufgefordert worden, seine geschäftlichen Akten dem Gericht zur Verfügung zu stellen.
Und Sklarz erwidert: »Warum beschlagnahmt der Staatsanwalt nicht die Akten?
Ich habe zu Hause noch 1000 Akten liegen - die kann ich doch nicht alle herschleppen.«
Und der Staatsanwalt klagt weiter: »Es sind sechzehn Zimmer voll Akten, Der
Angeklagte spekuliert darauf, daß man sich in ihnen nicht zurechtfindet.« Als
Sklarz den Büchersachverständigen ablehnt, packt er aus: »Das ist schon der
vierte Sachverständige. Zwei wurden abgesetzt wegen Gebührenbetruges. Der dritte
Sachverständige hat gesagt, daß es in diesem Prozeß nur einen Sachverständigen
gibt - das bin ich. Übrigens ist mir dieser Sachverständige viel zu gering..«
- Sling, Der Fassadenkletterer
vom "Kaiserhof". Berliner Kriminalfälle aus den Zwanziger Jahren.
Hg. Ruth Greuner. Berlin 1990
Mann, gebrochener (2) »Zieh dich aus . . .« sagte der alte Mann. Während ich meine Kleider ablegte, konnte ich sein Gesicht betrachten. Er hatte ein glattrasiertes Gesicht, einen zahnlosen Mund und spärliche weiße Haare. Dabei war er ganz mager, seine Hände zitterten, und er schien mir überhaupt sehr gebrochen.
Er saß auf dem Ledersofa und sah mir zu. Als ich nackt war, winkte er mich heran. Ich mußte vor ihm stehen, und er schaute mich an, ohne sich zu rühren. Deshalb glaubte ich, es sei an mir, den Anfang zu machen, und wollte ihm die Hose öffnen. Doch er schlug mich schnell auf die Finger, daß ich erschrak. »Warte...« sagte er, »warte, bis ich dir's sagen werde . .. und steh ruhig . . .«
So stand ich also still vor ihm und er streichelte mich. Endlich nahm er seinen Spazierstock und stierte damit an meiner Brust herum. Es war ein spanisches Rohr mit einer Elfenbeinkugel. Ganz kühl und glatt strich er mir diese über die Haut. Schließlich setzte er sie mir unten an und bohrte damit meine festgeschlossenen Beine auseinander. »Komm jetzt her . . .« befahl er mir und streckte sich auf dem Sofa aus. Ich wollte mich zu ihm legen, aber er stieß mich wieder mit einer Hastigkeit zurück, die mich erschreckte: »Drunten bleiben«, knurrte er.
Ich mußte stehend seine Hose öffnen und nahm seinen greisen, ungestrafften Gnadenspender heraus, der soviel Falten hatte, als das Jahr Stunden besitzt, und der so klein geworden war, daß er einem ausgespitzten Bleistiftendchen ähnelte. Dieses Läppchen Haut begann ich zwischen den Fingern zu wuzeln und glaubte, er werde nimmermehr eine feste Gestalt annehmen. Ich erinnerte mich dabei an den Greis, der unlängst bei Zenzi gewesen war und ihr so viel Mühe bereitet hatte, aber das Nudelchen wurde in meinen Fingern fleischiger und fester, und seine Falten glätteten sich, wie ein zerdrücktes Tüchlein unterm Bügeleisen sich glättet. »Minett machen...« kommandierte er zornig. Ich verstand den Ausdruck nicht und wichste fleißiger.
»Minett machen .. .« wiederholte er heftiger. Und da ich noch immer nicht gehorchte, kreischte er mich an: »Zum Teufel hinein . .. ! Verstehst du nicht. . . Minett mach!«
»Entschuldigen Sie, gnädiger Herr . . .« sagte ich schüchtern, »ich weiß nicht, was das ist, ein Minett ...«
Er fand das nicht einmal lustig, sondern meinte knurrend: »In den Mund nehmen sollst du's .. . blödes Ding.«
Ich tat, wie mir geboten war, und tat so fleißig wie nur je, denn ich hatte Angst vor dem alten Mann. Wie erstaunt aber war ich, als sein Bogen sich kraftvoll spannte, kaum daß ich ihn nur ein wenig gezüngelt hatte. Er stieg und stieg immer höher. Mein Mund konnte ihn schon nicht mehr fassen, und als ich auf sein grobes »Aufhören« den Kopf zurückbog und ausließ, schnellte ihm ein bombenfester Schweif gegen den Bauch.
»Vögeln«, schnarrte er, »schnell... vögeln ... nicht so langsam ... solltest schon drauf sein.« Er blieb auf dem Rücken liegen und machte es mir so, dank meiner zahlreichen Vorstudien, nicht schwer, zu verstehen, was er wollte.
Ich kroch also auf ihn hinauf und hatte Mühe, die Einquartierung, die er mir bot, nur halbwegs unterzubringen.
Ich wollte mich über ihn beugen, um mich festzuhalten und um ihm meine Brüste näher zu bringen. Er aber stieß mich zurück und brummte: »Aufrecht sitzen!«
So mußte ich aufrecht bleiben und mich an der Sofalehne halten, wenn ich
nicht seinen Klotz tiefer im Leib haben wollte, als mir lieb war. Er begann
mich mit seinen Stößen zu heben. Rasch und kräftig stieß er zu und redete dauernd
dabei. »So ... der werd ich's zeigen ... Gott sei Dank . . . ich kann noch Mädeln
stemmen . .. so . . .« Er flog höher und höher. »Die braucht sich nicht von
andern ficken zu lassen ... so ... weil sie vielleicht einen alten Mann hat.
. . und wenn sie es tut... mach' ich's auch ... so ... so . . .« Er redete noch
allerlei Ähnliches, bis er unter mir zusammenschnappte und sich nicht rühren
konnte. - Josefine Mutzenbacher. Die Lebensgeschichte einer
wienerischen Dirne, von ihr selbst erzählt. München
1969 (zuerst
1906)
Mann, gebrochener (3) In einem Orkan hatten sie die Masten verloren, und ihr Schiff war leck gesprungen; wochenlang trieben sie, immer an den Pumpen; gerieten wieder in schlechtes Wetter; von den Schiffen, die sie in Sicht bekamen, wurden sie nicht bemerkt, das Leck wurde langsam immer größer, und die See hatte ihnen nichts gelassen, um ein Floß zu bauen. Es war sehr hart, ein Schiff nach dem ändern in der Ferne vorbeisegeln zu sehen, »als ob sich alle verschworen hätten, uns dem Tod auf See zu überlassen«, fügte er hinzu. Aber sie versuchten weiter, die Brigg so lange wie möglich flott zu halten, und pumpten unentwegt bei ungenügender, meist roher Kost »bis gestern abend«, fuhr er monoton fort, »als die Sonne unterging, den Leuten das Herz brach«.
Hier machte er eine kaum merkliche Pause und sprach dann mit derselben monotonen
Stimme weiter: » Sie sagten mir, die Brigg sei nicht mehr zu retten, und meinten,
sie hätten nun genug auch für ihre eigene Rettung getan. Ich sagte nichts dazu.
Es war alles richtig, und es war keine Meuterei. Ich hatte ihnen nichts mehr
zu sagen. Sie lagen die ganze Nacht achtern herum, regungslos und still wie
Tote. Ich legte mich nicht hin und hielt Ausschau. Als der Tag anbrach, sah
ich sogleich Ihr Schiff. Ich wartete, bis es heller wurde. Der leichte Windzug
begann noch schwächer zu werden, ich spürte ihn nicht mehr auf meinem Gesicht.
Dann rief ich so laut ich konnte: >Seht das Schiff dort!< Aber nur zwei
Mann erhoben sich ganz langsam und kamen zu mir. Zuerst standen wir drei eine
ganze Zeitlang alleine da und beobachteten, wie Sie auf uns zusteuerten, dabei
fühlten wir deutlich, wie der Wind fast einschlief. Aber nachdem standen auch
andere nacheinander auf, und bald hatte ich die ganze Mannschaft hinter mir.
Ich drehte mich um und sagte zu ihnen, sie könnten ja selbst sehen, daß das
Schiff auf uns zuhält, aber bei dieser Flaute könnte es am Ende doch zu spät
kommen, wenn wir nicht wieder an die Arbeit gingen und versuchten, unser Schiff
so lange flott zu halten, bis wir alle-abgeborgen sind. So habe ich mit ihnen
gesprochen, und dann gab ich Order, an die Pumpen
zu gehen.« Er gab den Befehl, und er gab ihnen auch ein Beispiel, indem er selbst
an die Pumpen ging; aber die Leute scheinen tatsächlich einen Augenblick gezögert
zu haben, indem sie einander unschlüssig anblickten, ehe sie ihm folgten. »Hi,
hi, hi« Ganz unerwartet brach er in ein einfältiges, erschütterndes, nervöses
Kichern aus. »Es waren gebrochene Männer«, erklärte
er entschuldigend. »Zu lange war mit ihnen gespielt worden.« - (
con
)
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