Mann, brauchbarer  Anna Halsey bestand aus rund zweihundertvierzig Pfund vollgesichtiger Weiblichkeit mittleren Alters, der ein schwarzes Schneiderkostüm Form geben sollte. Statt Augen trug sie glänzende, schwarze Schuhknöpfe, ihre Wangen hatten die Konsistenz und die Farbe von Talg. Sie saß hinter einem Schreibtisch mit glänzend schwarzer Glasplatte, der der Sarkophag Napoleons hätte sein können, und rauchte aus einer schwarzen Zigarettenspitze von nicht ganz der Länge eines zusammengerollten Regenschirms. Sie sagte: »Ich brauche einen Mann.«

Ich sah zu, wie sie die Asche ihrer Zigarette auf die Schreibtischplatte fallen ließ, wo sie der Zug von dem offenen Fenster her verteilte.

»Ich brauche einen Mann, der gut genug aussieht, um eine Dame für sich zu interessieren, die Sinn für Format hat. Er muß aber hart und zäh sein, es auch mit einem Schaufelbagger aufzunehmen. Ich brauche einen ganzen Kerl, der flinker als eine Eidechse und so schlagfertig wie Fred Allen ist, nur geistreicher muß er sein, dem ein Bierwagen auf den Kopf fallen kann, ohne daß es ihm mehr ausmacht, als wenn ein Revuegirl ihn anlacht.«

»Alles nur Kleinigkeiten für mich«, ermunterte ich sie. »Was Sie brauchen, sind also die New Yorker Yankees, Robert Donat und die Jungs vom Jachtklub in einer Person.«

»Vielleicht wären Sie brauchbar, wenn Sie sich mal kämmen und ein frisches Hemd anziehen würden«, erwiderte Anna. »Sie bekommen zwanzig Dollars am Tag und Ihre Auslagen. Ich habe seit Jahren keinen Auftrag mehr abgetreten, aber der hier liegt nicht ganz auf meiner Linie. Ich befasse mich lieber mit den stillen, unauffälligen Fällen und kann mein Geld auch verdienen, ohne mich in Ungelegenheiten zu bringen. Wollen mal sehen, was Gladys von Ihnen hält.«

Sie drehte ihre Zigarettenspitze um und schaltete den Kippschalter an der großen Sprechanlage aus schwarzem Lack und Chrom auf ihrem Schreibtisch ein. »Komm mal eben und leere Annas Aschenbecher aus, meine Süße.«

Wir warteten.

Die Tür öffnete sich, und ein großes, blondes Glück, besser angezogen als die Herzogin von Windsor, kam herein.

Anmutig ging sie durch das Zimmer, leerte Annas Aschenbecher, tätschelte ihr die Talgwangen, nahm mit einem ungenierten Seitenblick von mir Bestand auf und ging wieder hinaus.

»Ich glaube, sie wurde rot«, meinte Anna, als die Tür wieder geschlossen war. »Anscheinend sind Sie ganz brauchbar.«  - Raymond Chandler, Gefahr ist mein Geschäft. Frankfurt am Main und Berlin 1966

Mann, brauchbarer (2)

Mann, brauchbarer (3)   Haarmann wurde von der Polizei in den Jahren 1918 bis 1924 beständig zu Spitzeldiensten herangezogen und erwies sich in vielen schwierigen Fällen — (bei der Aushebung einer Verbrecherbande, die falsches Geld herstellte; bei der Aufdeckung eines Diebstahles von Treibriemen; ja sogar beim Aufspüren von vermißten Personen) — als sehr verwendbar und nützlich. Wir werden sehen, wie dieser Mann in beiden Welten daheim war, bald einmal der Polizei einen seiner Buhljungen oder Kumpane in die Hände spielte, bald einmal wieder seine Beziehungen zu den Polizeiorganen zugunsten der Verbrecher weit und vor allem zugunsten seiner eigenen, in tiefster Heimlichkeit wuchernden Mordwollust benutzte. Nahezu alle seine Verbrechen wurden dadurch möglich, daß er für das naive Volk (das in Deutschland den Polizeibeamten für eine Art richterliche Person hält) und zumal für die unerfahrene Jugend zwischen 14 und 18, die er zu verführen pflegte, eine amtliche Vertrauensperson war. - Theodor Lessing, Haarmann. Die Geschichte eines Werwolfs. Berlin 1925

 

Mann Brauchbarkeit

 

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Verwandte Begriffe
Frau, brauchbare
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