Malstrom

   "Die Große Reise"

- Etienne Lodeho

Malstrom (2) «Wie oft wir in der Brandung die Runde machten, läßt sich unmöglich sagen. Wir rasten wohl eine Stunde lang herum und immer herum, fliegend eher denn treibend, und schrittweis‘ gerieten wir mehr und mehr in die Mitte des brandenden Rings und näher und näher dann an seinen entsetzlichen Innenrand. Diese ganze Zeit über hatte ich den Bolzen nicht losgelassen. Mein Bruder befand sich auf dem Hinterschiff und hielt sich an einem kleinen, leeren Wasserfasse fest, das unter der Gillung sicher vertäut worden und das einzige Ding an Deck war, welches nicht über Bord gegangen, als der erste Stoß des Sturms uns traf. Nun wir uns aber dem Rand des Trichterloches näherten, ließ er seinen Halt an diesem Fasse fahren und stürzte sich auf den Ring, von dem er in seiner wahnwitzigen Todesangst meine Hände gewaltsam zu lösen suchte, denn der Bolzen war nicht groß genug, um uns beiden sicheren Griff zu bieten. Niemals empfand ich tieferen Schmerz als in dem Augenblick, da ich ihn diese Tat versuchen sah — obschon, ich wußte es, er nicht mehr seiner Sinne Herr war, da er‘s tat — ein Rasender, verrückt vor schierer Furcht. Doch lag mir nichts daran, mit ihm um diesen Punkt zu ringen. Wußte ich doch, daß es keinen Unterschied mehr machte, ob einer von uns sich überhaupt noch festhielt; so ließ ich ihm den Bolzen und kroch nach achtern zu dem Fasse hin. Dies ließ sich ohne große Beschwer vollbringen; denn die Schmacke flog gleichmäßig genug herum und auf glattem Kiele — nur mit dem riesigen Schwung des Wirbels schwang und schwankte sie mit.

Kaum hatte ich in meiner neuen Lage sicheren Halt gefunden, da gab es uns einen wilden Ruck nach Steuerbord, und kopfüber schossen wir in den Abgrund hinab. Ich murmelte noch ein Stoßgebet zu Gott und dachte, nun sei alles vorüber.

«Als mich der Schwung des Sturzes mit ganzer Übelkeit durchfuhr, hatte ich mich instinktiv nur um so fester an das Faß geklammert und die Augen geschlossen. Einige Sekunden lang wagte ich nicht, sie zu öffnen, — derweilen ich in jedem Bruchteil des Endes gewärtig war und mich wunderte, daß ich nicht bereits im Todesringen mit dem Wasser lag. Doch die Sekunden verstrichen, eine um die andre. Ich lebte noch. Das Gefühl des Fallens hatte aufgehört; und die Bewegung des Schiffes schien ganz die nämliche zu sein, die sie zuvor gewesen, droben im kreisenden Gischt; nur daß es jetzt mehr auf der Seite lag. Ich faßte Mut und blickte einmal mehr noch auf die Szene.

«Nie werde ich das Empfinden von Grauen, Schrecken und Bewunderung vergessen, mit dem ich um mich sah. Das Schiff schien wie durch Magie auf halber Höhe an der Innenfläche eines Trichters von riesigem Umfang und fürchterlicher Tiefe zu hängen, dessen vollkommen glatte Wandung man leicht hätte für Ebenholz halten können, wäre nicht die bestürzende Geschwindigkeit gewesen, mit welcher sie im Kreise wirbelte, und der schimmernd geisterhafte Schein, der davon ausging, als die Strahlen des Vollmonds durch jenes Kreisloch in den Wolken, das ich bereits beschrieb, in einer Flut von goldenem Glanz an den schwarzen Wänden hinströmten, hinab bis in den innerst-untersten Schlund des Abgrunds.

«Anfänglich war ich viel zu verwirrt, um zu irgendeiner präzisen Beobachtung zu kommen. Der allgemeine Ausbruch schreckenweckender Größe war alles, was ich wahrnahm. Als ich mich jedoch ein wenig wieder gefangen, fiel mein Blick ganz wie von selbst nach unten. Bei der Lage, in welcher die Schmacke an der schiefen Wasserwand des Kraters hing, hatte ich in dieser Richtung ungehinderte Sicht. Wir fuhren noch immer auf glattem Kiele — das heißt, das Deck bildete eine parallele Ebene zum Wasserspiegel — doch dieser letztere hatte eine Neigung von mehr denn fünfundvierzig Grad, so daß wir zum Kentern zu liegen schienen. Gleichwohl konnte ich nicht umhin, die Feststellung zu machen, daß ich unter diesen Umständen kaum mehr Schwierigkeit hatte, meinen Halt mit Händen und Füßen zu behaupten, als wenn wir uns in waagrechter Lage befunden hätten; und dies, so nehm‘ ich an, lag in der Geschwindigkeit begründet, mit welcher wir uns im Kreise drehten.

«Die Strahlen des Mondes schienen den untersten Grund des gähnenden Schlundes zu suchen: doch immer noch vermochte ich mit Bestimmtheit nichts zu erkennen, denn alles dort unten ward eingehüllt von einem dichten Nebelschleier, über dem sich — der schmalen und schwanken Brücke gleich, von welcher die Muselmänner sagen, sie sei der einzige Pfad zwischen Zeit und Ewigkeit — ein herrlicher Regenbogen wölbte. Dieser Nebel, oder Sprühgischt, ward ohne Zweifel vom Zusammenprall der gewaltigen Wände des Trichters verursacht, denn auf dem Grunde trafen sie sich alle, — doch den Gellschrei, der aus diesem Nebel zu den fummeln aufstieg, wage ich gar nicht zu beschreiben: schon der Versuch geht über meine Kräfte.

«Unser erstes Abgleiten vom Brandungsgürtel droben in den Schlund hatte uns eine beträchtliche Strecke an der Wasserwand niederfahren lassen; doch dann sanken wir keineswegs in der selben Weise weiter. Wir rasten herum und immer wieder herum — doch nicht in gleichförmiger Bewegung, sondern in schwindelnden Schwüngen und Zuckungen, welche uns manchmal nur ein paar hundert Ellen weit — manchmal aber nahezu um den ganzen Wirbelkreis herumtrieben. Nach unten gerieten wir bei jeder Umdrehung zwar nur langsam, doch immerhin sehr merklich. - E. A. Poe, Ein Sturz in den Malstrom, nach (poe)

Malstrom (3)

- Harry Clarke

Malstrom (4)   Ich  hab etliche Winckel des Meers an die nordwegischen Gestaden verzeychnet, wie hie oben in vorgesetztem Gemäld zu sehen ist, die heißen Roest und Loffoeth, zwischen welchen beyden Orten eyn solcher Schlund und sorglicher Zwürbel ist, daß er alle Schiff, die etwa ohngefähr dahin kommen, fluchs in eynem Hui mit eym Zwürbel versenckt und verschlinget, geh wie starck und sorgfältig man daran arbeytet.

Malstrom

Insonderheyt geschieht es denen, so am selbigen Ort des Meers nicht bekannt sein oder die durch Ungewitter dahin verworffen oder sonst der Sach nicht groß Achtung geben, derohalben ihnen denn diejhenige, so auß Teutschland dahin schiffen wollen, die allerbesten und geschicksten Patron und Schiffleuth bestellen, die sie immer bekommen mögen, welche durch lange Erfahrung gelernet haben, wie sie den Weg umbfahren und der Gefährligkeyt entgehen mögen, welches sie denn auß ihrem Compaß fein sehen und den Weg weit abfahren können, damit sie nicht in solchen Zwürbel und Gefährligkeyt kommen. Fürnemlich aber fahren sie ab bei den grossen Dörffern Andanes und Trondanes und anderen treien Inseien, da dasselbig Theyl des Meers Mostastrom genennet wird und die Ungestümme etwas grösser ist, denn auff dem andern umbligenden Wasser. Denn es läufft das Meer am selbigen Ort mit grösser, mächtiger Ungestümme in die grossen Holen und thut sich auff, ehe es hineinlaufft. Im Widerausserlauffen aber fällt es mit grösser Ungestümme wider under sich, gleich als wie die grossen Regenbäch oder die schnellen Wasser rauschen und mit grösser, schneller Ungestümme verlauffen. Und umb diser Ursache willen ist es sehr sorglich, auff disem Meer zu schiffen, denn so man nur eyn wenig zu unrechter Zeit außfähret, so kommen die Schiff in solche Zwürbel und werden versencket. Die Stück darvon kommen selten wider herfür. - Olaus Magnus, Die Wunder des Nordens. Erschlossen von Elena Balzamo und Reinhard Kaiser. Frankfurt am Main 2006 (Die Andere Bibliothek 261, zuerst 1555

Malstrom (5)  Maelstrom oder Moske=Strom, lat. Maelstromium oder Umbilicus Maris, ein gefährlicher Wirbel und Meer=Strudel in der Nordsee, in der Gegend Drontheim, an der Küste von Norwegen. Er hat 12 Deutsche Meilen im Umkreis und zieht alles, was ihm zu nah kommt, auch die grösten Last=Schiffe und Wallfische mit grosser Gewalt zu sich, wirft es aber nach 6 Stunden mit einem grossem Getöse und Brausen gantz zertrümmert wieder aus. In der Mitte ist ein Felsen, welchen die dabeywohnenden Mourke nennen. - Johann Heinrich Zedler, Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschafften und Künste, 1732-1754

Malstrom (6)  

- N. N.

Malstrom (7) 9. März. Die ganze aschige Materie fiel nun fortwährend & in wüsten Mengen um uns her. Die Dampfwand im Süden hatte sich ungeheuerlich am Horizont aufgerichtet, und begonnen, mehr Bestimmtheit der Form anzunehmen. Ich kann sie mit nichts vergleichen, als mit einem grenzenlosen Katarakt, der lautlos von einer riesigen & weitentfernten Rampe im Himmel, in die See herabrollt. Der gigantische Vorhang reichte über die gesamte Ausdehnung des südlichen Horizontes. Ihm entstrahlte kein Laut.

21. März. Eine mürrische Düstre schwebte jetzt über uns — aber aus den milchigen Tiefen des Ozeans stieg es wie Glimmlicht auf, und stahl sich, der Bordwand des Bootes entlang, nach oben. Wir wurden nahzu verschüttet von dem weißaschigen Schauer, der sich auf uns niederließ und auch im Kanu; aber im Wasser zerschmolz er, wie er hineinsank. Die Oberkante des Kataraktes verlor sich gänzlich in Fahlheit & Ferne. Doch offensichtlich ging‘s auf ihn zu, mit grauser Behendigkeit. Zu Zeiten, doch momentan nur, wurden weite gaffende Spalten darin sichtbar; und aus diesen Spalten, in denen ein Chaos unscharfer Imagines flatterhaftete, kamen stürmisch & mächtig doch lautlos die Winde, und furchten den erleuchteten Ozean in ihrem Lauf.

22. März. Die Dunkelheit hatte beträchtlich zugenommen, gemildert nur vom Glanze der Wasser, den der Weiße Vorhang vor uns zurückwarf. So manche gigantisch- & fahlweiße Vögel kamen fortwährend von Jenseits des Schleiers hervorgeflogen; und ihr Kreisch war das ewige Tèkeli=li!, während sie sich aus unserm Gesichtskreis wieder entfernten. Auf das hin stört‘ es Nu= Nu, im Boden des Bootes, auf; aber da wir ihn anrührten, fanden wir, daß sein Geist ihn verlassen hatte. Und nun rauschten wir in die Umarmungen des Kataraktes, wo just eine Klamm sich auftat, uns zu empfangen. Da aber erhob sich in unserm Pfade eine verhüllte menschliche Gestalt, sehr viel größer an Glied=Maßen, als sonst ein unter Menschen je Hausendes. Und die Tönung der Haut der Gestalt, war von der völligen Weißnis des Schnees. - E. A. Poe, Arthur Gordon Pym, nach (poe)

 

Strom Sog Wirbel

 

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