aler   Eugen sagte, sapperlot, das seien aber sehr schöne Plakate, obwohl sie ihn an Plakate der NS-Kulturgemeinde erinnerten, doch davon sagte er weder zu Naschold noch zu Knöller irgend etwas; denn jetzt saß wiederum der Maler Knöller bei ihm und erzählte, daß er dreiundfünfzig Ausstellungen für den Kulturverein arrangiert und die Bilder dazu selber gehängt habe. - »Das will schon etwas heißen, sapperlot«, bemerkte Eugen, und Knöller schmunzelte. Dann erzählte er aus seinem Leben und daß man ihn früher den ›Baron von Heslach‹ genannt habe, weil er damals elegant gewesen sei und sogar ein Frackcape getragen habe. Er zeigte Eugen eine Porträtaufnahme aus jenen Tagen, und die war überraschend, obwohl sie nur ein Fotomatonbild war. Ein schöner Mann schaute heraus, und Eugen sagte, das sei ja toll. - »Da war ich halt noch jung«, bemerkte Knöller und erzählte, daß er sein Atelier lange Zeit am Leonhardsplatz gehabt habe. In dem Haus sei unten ein Puff gewesen. Die Mädchen seien oft zu ihm heraufgekommen und hätten sich bei ihm ausgesprochen oder ausgeweint. Jeden Geburtstag habe man »in der Familie« gefeiert, und an seinem Geburtstag habe die Schönste zu ihm gesagt: »Molerle, du darfst bei mir amol ohne Gommi!«  - Hermann Lenz, Ein Fremdling. Frankfurt am Main 1988 (st 1491, zuerst 1983)

Maler (2) Du wirst dich erinnern, daß Reynolds einer von denen war, die das Leben zur Kunst gemacht hatten. Er war berühmt wegen seiner Küche, seiner Weiber, seiner genialen Ausbeutung des Daseins. Da kannst du dir das Erstaunen seiner Freunde denken, als er plötzlich aus dem lustigen London verschwunden war und verschwunden blieb, obwohl man ausgekundschaftet hatte, daß er hier in Richmond ein kleines Häuschen sich gemietet hatte. Man traf ihn nie daheim. Garrick, Dr. Johnson, Goldsmith sandten heitere und ernste Briefe; er ließ sich nicht sehen. Man riet auf ein Schäferidyll, machte schlechte Witze und gute Verse. Er blieb. Schließlich kam ein unbestimmtes Gerücht nach der Stadt, er sei in Richmond ernstlich erkrankt. Darauf machten sich Goldsmith und Garrick auf und fanden ihn endlich in einem seltsamen Zustande.

Der wohlgenährte Lebenskünstler stand bleich und hohlwangig in seinem Häuschen vor einem halbvollendeten Bilde, mit dem er leidenschaftliche Selbstgespräche hielt. Aber es waren ihnen unverständliche Laute, es schienen ihnen irre Reden eines Verstandlosen zu sein. Er erkannte die Freunde wohl, doch achtete er nicht auf sie und fuhr fort in seiner seltsamen Weise. Da merkten sie, daß die Zukunft der englischen Kunst auf dem Spiele stand, wagten einen Gewaltstreich und brachten das Bild nächtlicherweile fort.

Am nächsten Tage erwarteten sie einen Ausbruch wilder Leidenschaft. Aber siehe da — der Maler, als er sein Bild nicht fand, schloß ruhig sein Häuschen zu, fuhr nach London, bestellte ein gutes Frühstück, nahm sofort die frühere gute Laune und bald auch die behagliche Lebensfülle wieder an. Von dem Bilde aber hat er nie gesprochen. - Heinrich Vogel, Das Bild in der Tate Gallerie. In: Jenseits der Träume. Seltsame Geschichten vom Anfang des Jahrhunderts. Hg. Robert N. Bloch. Fankfurt am Main 1990 (st 1595, zuerst 1921)

Maler (3)  Das hübscheste Berliner Liebespaar aus dem Biedermeier waren die Opernsoubrette Johanna Eunicke und der Maler Franz Krüger, 'Pferdekrüger' genannt. Die Bekanntschaft begann Unter den Linden. Krüger sprach die junge Dame so gedrechselt an, wie es sich auch heute noch in Berlin gehört. Er hatte genug Zeit, sich alles zu überlegen, denn die schöne Sängerin ging vor ihm her. Endlich faßte er sich ein Herz, eilte nach vorn, schwenkte seinen Zylinder, versuchte, ihr unter den bebänderten Schutenhut zu gucken und sprach: „Mein Fräulein, wenn Sie von vom so schön sind wie von hinten, ich könnte der Versuchung nicht widerstehen, Sie zu küssen!" Darauf Johanna: „Aber mein Bester, warum küssen Sie mich nicht einfach da, wo ich am hübschesten bin?" Es wurde eine sehr glückliche Ehe, obwohl der schöne Franz (den man übrigens auf dem eleganten kleinen Reiterbild des späteren Wilhelm I. als seinen Begleiter sehen kann) es auch später nicht lassen konnte, hinter schönen Frauen herzulaufen. Seine noblen Passionen, Pferde, Hunde, gute Weine, liebten die Berliner ebenso wie seine Bilder. Seit seinen Tagen hieß ein schicker Junge einfach 'Franz'. Eine Ahnung von seiner Flottheit klingt in dem alten Berliner Schlager nach: „Immer nobel, nobel, Franz, wenn dir auch friert!"  - Walter Kiaulehn, Berlin. Schicksal einer Weltstadt. München 1981 (dtv 1648, zuerst 1958)

Maler (4)  Ich besuchte Tatlin, den großen Narren, noch einmal. Er wohnte in einer alten, kleinen und vernachlässigten Wohnung. Die Hühner, die er sich hielt, schliefen zum Teil in seinem Bett. In einer Ecke legten sie Eier. Wir tranken Tee, und Tatlin plauderte von Berlin, vom Kaufhaus Wertheim und von seiner Vorstellung bei Hofe. Hinter ihm, an der Wand, lehnte eine völlig verrostete Stahldrahtmatratze, ein paar Hühner saßen darauf und schliefen, den Kopf in die Federn gesteckt. Dies rahmte den guten Tatlin ein, und als er dann auf seiner selbstgemachten Balalaika spielte — draußen, vor dem vorhanglosen Fenster, dessen Scheiben teilweise durch kleine Holzbrettchen ersetzt waren, wurde es schon dunkel —, da erschien er mir keineswegs als einer jener ultramodernen Konstruktivisten, sondern als ein Stück echten, alten Rußlands, wie aus einem Buch von Gogol, und ein melancholischer Humor war plötzlich im Zimmer. Ich habe ihn nie wiedergesehen und auch nie wieder von ihm und dem seinerzeit so vieldiskutierten «Tatlinismus» gehört. Er soll einsam und vergessen gestorben sein. - George Grosz, Ein kleines Ja und ein großes Nein. Sein Leben von ihm selbst erzählt. Reinbek bei Hamburg 1986, zuerst 1955

Maler (5)  Ich hatte stets einen Horror, ein «Berufs»-Maler zu sein. In dem Augenblick, wo man es wird, ist man verloren... Ich war nie ein passionierter Maler. Ich hatte nie das olfaktorische Empfinden der meisten Maler. Diese malen, weil sie den Geruch des Terpentins gern haben. Ich persönlich malte zwei oder drei Stunden im Tag und konnte nie schnell genug davon wegkommen. - Marcel Duchamp 1958, nach: Richard Huelsenbeck (Hg.), Dada - eine literarische Dokumentation. Reinbek bei Hamburg 1964

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