Magd  Herr Brinchanteau  sagte zu Belisée: «ich versteh rein gar nichts. Wer hat Ihnen eigentlich gesagt, Sie sollten zu uns kommen?» - «Ich ganz allein, natürlich; ich wollt keine andere Magd bei Mahame Brinchanteau sehen als mich. Sie gefiel mir; da bin ich fortgegangen von da, wo ich war, und bin da hingekommen, wo ich bin.» Und sie blieb.

Sie war lächerlich, ein wenig schmutzig, töricht vor allem, von einer fast grenzenlosen Unwissenheit, doch mit erstaunlichen «Gemütszonen» und einer Selbstachtung, die man nicht vermutet hätte, ohne jede Religion. Sobald man sie erblickte, lächelte man: etwas derart Unerwartetes lag in der Anordnung ihrer Gesichtszüge, ihrer Glieder, ihrer Kleidung. Ihr naturkrauses, hartes mahagonifarbenes Haar endete kurz über dem Nacken mit der künstlichen Regelmäßigkeit einer Perücke oder einer Wollmütze, und teilte sich etwas oberhalb der Stirn, von der eine Nase entsprang, die sich, wie ein Rüssel gebogen, bis zu dem halbmondförmigen Munde erstreckte. Der kropfige Hals war, in Anbetracht der schwächlichen Brust, etwas zu breit geraten, anderseits stark genug, um aufrecht und munter den schweren Kopf mit dem langen, ernsten Schafsgesicht zu tragen, der über den klösterlich hageren Schultern schwankte. Ihre dürre Gestalt lief in zwei schlotterige Heuschreckenbeine aus, und ihre Arme hielt sie wie die Gottesanbeterin immer in Höhe der Hüften angewinkelt. Ihre Kleidung war einfach; ein schwarzer Faltenrock, dazu, auf harten Karton gezogen, ein kleiner steifer Musselinkragen, der unterm Kinn zusammengehakt wurde; als unvergleichlichen Zierat aber hatte Belisée, nicht ohne einige Phantasie, alles, was sie an Näh- und Stecknadeln im Hause, am Rande des Bürgersteigs oder gar in der Gosse auflas, an Ihr Mieder geheftet. Es gab dort Nadeln von jeglicher Gestalt, jeglicher Größe; eine mit einem goldenen, andere mit silbernem Kopf, wieder andere mit Glasköpfen in allen möglichen Farben, dünne und kräftigere. Ob sie nun ein Paar Augen im Kopf hatte, die darauf eingerichtet waren, allenthalben um sie herum die Nadeln ausfindig zu machen, oder ob sie bei all ihrem Tun eigentlich nur nach diesen Ausschau gehalten hatte, gleichviel: allabendlich war ihre Brust über und über damit besteckt.   - Marcel Jouhandeau, Fronleichnam. In: M. J., Chaminadour. Reinbek bei Hamburg 1964

 

Dienerin

 

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