Mädchenwohnheim  Die Bewegungen im Aufenthaltsraum des Mädchenwohn-heims Palais d'Amour sacken ab, ehe sie zuende geführt worden sind, zwischen Turm und Kontakthof. Die Mädchen kommen von ihrem Turm zurück; der Freier tut noch so, als gäbe er zum Abschied einen Kuß und sagt etwas, was er nicht meint, und läuft die Treppe so beherrscht und schnell herunter, als käme er vom Betriebsleiter. Vorher hatte er die glänzenden weitgeöffneten Augen, in die gar nicht genug Ritzen und weiße Bälle und auseinandergewinkelte, mit weißer, nachgiebiger Masse behaftete Stangen hineinpaßten. Hinterher ärgert der zweite Ponysekt, der Überflüssige. Die Mädchen verlangsamen die eben noch beschleunigten Bewegungen, die sie nicht zuende führen werden:

- Spritz schnell ab! Mach schon! Bist du noch nicht fertig?! Faß mich da nicht an! Leg dich hin I So tust du mir weh!

Jetzt - auch der Begriff »jetzt« rückt nur langsam und schlaff von den Schlüsseln an den Eisschrank - dehnen die Zigarettenaugenblicke, die Kaffeeaugenblicke, ehe sich die Mädchen wieder unter den Infrarotstrahler begeben auf dem Kontakthof und von dort verkaufsfroh über die mosaikbelegten Treppenstufen heraufwackeln unter die Presse, den Freier, im Turm. Dehnen das Setzen mit dem Gefühl der durch Geldscheine und Nillengummihandschuhe geöffneten Schamlippen - kalkhaltiges Wasser, die Seife Fa - das Niedersinken in der Pause auf dem Kunststoffsofa, halbangewärmt, fröstelnd. Unten auf dem Kontakthof wird vor allem die Perücke bestrahlt und das Gesicht, vom Minirock abwärts Kälte und Zugluft. Der Turm oben ist gemütlich geheizt und ehe der Freier anfangen will, kreuzen die Mädchen die Unterarme über der Brust und reiben sich eilig die Schultern. Sie mißhandeln unwillig über den Zwang zur Mißhandlung das kalte Ding des Freiers mit dem Tropfen kalter, süß nach Trippernachwehen duftender Flüssigkeit daran. Vor allem reden sie sich ein:
- Ich werde nicht geil! Ich werde nicht geil! Seine Zunge riecht nach Bommerlunder und Peter Stuyvesant. Kaum hat die Heizung einen etwas warmgemacht - die Dusche. Die Schlaffheit der Schokolade im Aufenthaltsraum. Auch das Entzünden des Streichholzes könnte weniger ruckartig geschehen und die Zwischenpause mehr aufquellen. Sie kreisen langsam umeinander mit ihren klassegewachsenen geilen Beinen, Tasse und Schlüssel und Zigarette in der geilen rechten Hand, Hier setzen sie die Pfennigabsätze, die geilen, vorsichtig auf, lehnen sich an die Heizung, an die Musicbox, an das Plakat, an die kunstlederüberzogenen Sessel und ihre geilen Busen stehen ab. Die Mädchen hängen sich aneinander, sinken mit der Hüfte an den Kopf der anderen, die liegt. Die schwarzen langen Kunstwimpern klappern abstehend von der riechenden Maske aus Schminke. Die Perücken der Hockenden reichen bis zwischen die geilen Schenkel der mit der Tasse Vorüberschiebenden.

- Und dann streichen sie dir auf dem ganzen Körper rum und sabbeln dich voll.

Die anderen im Aufenthaltsraum setzen mit schwammartig sich ausdehnenden Stimmen ein:

- Lecken dir das ganze Gesicht naß. Wie bist du schön. Ach, du bist herrlich! So erregend. Für mich gehst du fünf Mark runter. 0, du geiler Pummel du. Und überall klebt dann ihre Spucke und dann kommen sie mit ihrem Finger. Ich dreh durch!   - Hubert Fichte, Detlevs Imitationen "Grünspan".  Frankfurt am Main 2005 (zuerst 1973)

Mädchen Wohnhaus

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