achthaber  Das extremste Gefühl von Macht besteht dort, wo der Herrscher gar keinen Sohn will. Am besten bezeugt ist der Fall Shakas, der im ersten Drittel des vorigen Jahrhunderts die Nation und das Reich der Zulus in Südafrika begründete. Er war ein großer Feldherr, man hat ihn mit Napoleon verglichen, und einen nackteren Machthaber als ihn hat es kaum je gegeben. Er weigerte sich zu heiraten, weil er keinen legitimen Erben wollte. Auch die inständigen Bitten seiner Mutter, die er immer mit Auszeichnung behandelte, vermochten ihn nicht umzustimmen. Sie wünschte sich nichts mehr als einen Enkel, er beharrte bei seinem Entschluß. Sein Harem bestand aus Hunderten von Frauen, zuletzt waren es ihrer 1200; ihr offizieller Titel lautete ›Schwestern‹. Es war ihnen verboten, schwanger zu sein oder gar ein Kind zu gebären. Sie standen unter strenger Kontrolle. Jede schwangere ›Schwester‹, die sich ertappen ließ, wurde mit dem Tode bestraft. Das Kind einer dieser Frauen, das ihm verheimlicht worden war, tötete Shaka mit eigener Hand. Er tat sich viel auf seine Liebeskunst zugute, er hatte sich immer in der Gewalt und war darum des Glaubens, daß keine Frau von ihm empfangen könne. So geriet er nicht in die Lage, sich vor einem heranwachsenden Sohn zu fürchten. — Er wurde im Alter von 41 Jahren von zweien seiner Brüder umgebracht.   - (cane)

Machthaber (2)  Frühzeitig hat man mich gelehrt, daß man Vorteile für sich den Machtinhabern dieser Welt am schnellsten entreißt, wenn man es im Bündnis mit ihnen tut. Man muß das begriffen haben: man entlockt ihnen ihr Einverständnis nicht, man zwingt es ihnen ab. Und sie mögen sich davon betrogen oder bestohlen fühlen, noch mehr aber fühlen sie sich geschmeichelt, denn mit jedem Vorteil für sich beansprucht man etwas von ihrem Eigenen. Mit jedem Quentchen eines Vorzugs, den man ihrer Verfügungsgewalt entzieht, erweist man ihrem Besitz eine Ehre, die er vielleicht nicht hätte, würde sich niemandes begehrlicher Blick darauf richten. So fühlen sich die Mächtigen am wohlsten, wenn sie sich bedroht glauben.  - (ich)

Machthaber (3)   Er kommt aus dem Osten und fuhrt dort eine Panzerkompanie. Trägt sein Dienstsiegel in der Tasche, um damit nach Belieben Kurierausweise, Fahrkarten, Verpflegungsscheine auszustellen und was ihm sonst beliebt. Streckt sich damit in Sonderabteilen aus, samt seinem zusammengeräuberten »Kuriergepäck«, bei dem er die Schaffner Wache stehen laßt. Verlangt, wenn man in den Hotels nicht eilig herbeispringt, mit Donnerstimme Zimmer, Bedienung, Wein, so daß die Wirte sich zitternd entschuldigen. Will er in einen abgesperrten Raum eindringen wie heute in die Marketenderei der Militarschule, so wird er das nicht mit List versuchen, sondern zunächst die Wache revidieren, um Rügenswertes festzustellen, dann laßt er sich Leute zum Schleppen der Waren mitgeben, die er zusammenkauft. Das Ganze gibt ihm Stoff, sich dann beim Wein darüber zu belustigen. - Ernst Jünger, Strahlungen (23. Juli 1942)

Machthaber (4)   Der Paranoiker erweist sich als das genaue Abbild des Machthabers. Der Unterschied zwischen ihnen ist nur einer ihrer Stellung in der äußeren Welt. In ihrer inneren Struktur sind sie ein und dasselbe. Man mag den Paranoiker eindrucksvoller finden, weil er sich selbst genügt und durch seinen äußeren Mißerfolg nicht zu erschüttern ist. Die Meinung der Welt gilt ihm nichts, sein Wahn steht allein gegen die ganze Menschheit. - (cane)

Machthaber (5)  Ein dicker, kleiner Mann in weiten Hosen und einem dünnen Kittel, der seidig glänzte und an den Taschen tief herunterhing, stapfte mühsam die Gasse herunter, einen großen, schwarzen Hut tief ins Gesicht gerückt; er stützte sich auf einen Stock. Zwei Kinder liefen vor ihm auseinander, stellten sich an die Wand und sagten leise: »Guten Tag, Herr Regen.« Auch Senta wich vor ihm zurück und knickste, wie man es früher bei Hof gemacht hat, und ich nahm meine Baskenmütze ab. Unter der Hutkrempe des Mannes schimmerten große blaue Augen. Dann sah mich Senta an, als sagte sie: »Hüte dich, zu fragen, wer das ist.«  - Hermann Lenz, Spiegelhütte. Frankfurt am Main 1999 (zuerst 1962)

Machthaber (6)  »Ja, der Statthalter... Diese Figur ist sehr merkwürdig. Und wahrscheinlich sogar suspekt: Ich meine, heutzutage ... Dabei spielt alles in einer imaginären Zeit wie nach dem Tode... Was hast du beispielsweise mit dem dicken Mann sagen wollen, der durch eine enge, holperige Gasse abwärts geht, ein dünnes Rohrstöckchen bei sich hat und dem die Buben nachschreien: Herr Regen?« fragte der Vater.

»Das ist der Tod- Hermann Lenz, Der Wanderer. Frankfurt am Main 1988 (zuerst 1986)

Machthaber (7)  Nachmittags besuchte uns ein Befehlshaber, der auch von Borabora gebürtig war und meines Vaters Namen annahm, dagegen mein Vater den seinigen annehmen mußte. Er hies Herea, und war so dick als wir sonst niemanden in der Süd-See gesehen hatten. Um den Bauch mas er 54 Zoll, Und jeder seiner Schenkel hatte 31 und ¾ Zoll im Umfange. Auch sein Haar war merkwürdig; es hieng ihm in langen, schwarzen, wellenförmig-geschlängelten Flechten bis auf die Hüften herab, und war so stark, daß sein Kopf davon noch einmal so dick zu seyn schien als von Natur. Corpulenz, Farbe und Puncturen waren bey ihm Unterscheidungszeichen seines Ranges, welcher ihn, gleich den Großen auf Tahiti, zum Faullenzen und zur Schwelgerey berechtigte. - (for)

Machthaber (8)  »Größe ist immer gefährlich«, meinte Pangloß, »alle Philosophen sind darin einig. Denn schließlich wurde Eglon, der König der Moabiter, von Ehud meuchlings ermordet. Absalom blieb mit den Haaren am Baum hängen und wurde von drei Speeren durchbohrt. König Nadab, der Sohn des Jerobeam, wurde von Baasa umgebracht, König Ela von Simri, Ahasja von Jehu, Athalja von Johada. Die Könige Joakim, Jojachin und Zedekia gerieten in Sklaverei. Sie wissen ja, wie Krösus, Hannibal, Darius, Dionys von Syrakus, Pyrrhus, Perseus, Astyages, Jugurtha, Ariovist, Cäsar, Pompeius, Nero, Otho, Vitellius, Domitian, Richard II. von England, Eduard II., Heinrich IV., Richard III., Maria Stuart, Karl I., die drei Heinriche von Frankreich, Kaiser Heinrich IV. ums Leben kamen? Sie wissen .. .« - »Ich weiß auch, daß wir unseren Garten bestellen müssen.«   - Voltaire, Candide oder Der Glaube an die beste der Welten, nach (vol2)

Herrscher Dynastie

 

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