- (
cane
)
Machthaber (2) Frühzeitig hat man mich gelehrt, daß man Vorteile für
sich den Machtinhabern dieser Welt am schnellsten entreißt, wenn man es im Bündnis
mit ihnen tut. Man muß das begriffen haben: man entlockt ihnen ihr Einverständnis
nicht, man zwingt es ihnen ab. Und sie mögen sich davon betrogen oder bestohlen
fühlen, noch mehr aber fühlen sie sich geschmeichelt,
denn mit jedem Vorteil für sich beansprucht man etwas von ihrem Eigenen. Mit
jedem Quentchen eines Vorzugs, den man ihrer Verfügungsgewalt entzieht, erweist
man ihrem Besitz eine Ehre, die er vielleicht nicht hätte, würde sich niemandes
begehrlicher Blick darauf richten. So fühlen sich die Mächtigen am wohlsten,
wenn sie sich bedroht glauben.
-
(ich)
Machthaber (3) Er kommt aus dem Osten und
fuhrt dort eine Panzerkompanie. Trägt sein Dienstsiegel in der Tasche, um damit
nach Belieben Kurierausweise, Fahrkarten, Verpflegungsscheine auszustellen und
was ihm sonst beliebt. Streckt sich damit in Sonderabteilen aus, samt seinem
zusammengeräuberten »Kuriergepäck«, bei dem er die Schaffner Wache stehen laßt.
Verlangt, wenn man in den Hotels nicht eilig herbeispringt, mit Donnerstimme
Zimmer, Bedienung, Wein, so daß die Wirte sich zitternd entschuldigen. Will
er in einen abgesperrten Raum eindringen wie heute in die Marketenderei der
Militarschule, so wird er das nicht mit List versuchen, sondern zunächst die
Wache revidieren, um Rügenswertes festzustellen, dann laßt er sich Leute zum
Schleppen der Waren mitgeben, die er zusammenkauft. Das Ganze gibt ihm Stoff,
sich dann beim Wein darüber zu belustigen. - Ernst Jünger, Strahlungen (23.
Juli 1942)
Machthaber (4) Der Paranoiker
erweist sich als das genaue Abbild des Machthabers. Der Unterschied
zwischen ihnen ist nur einer ihrer Stellung in der äußeren Welt. In ihrer inneren
Struktur sind sie ein und dasselbe. Man mag den Paranoiker eindrucksvoller finden,
weil er sich selbst genügt und durch seinen äußeren Mißerfolg nicht zu erschüttern
ist. Die Meinung der Welt gilt ihm nichts, sein Wahn steht allein gegen die
ganze Menschheit. - (
cane
)
Machthaber (5) Ein dicker, kleiner Mann in weiten
Hosen und einem dünnen Kittel, der seidig glänzte und an den Taschen tief herunterhing,
stapfte mühsam die Gasse herunter, einen großen, schwarzen Hut tief ins Gesicht
gerückt; er stützte sich auf einen Stock. Zwei Kinder liefen vor ihm auseinander,
stellten sich an die Wand und sagten leise: »Guten Tag, Herr Regen.« Auch Senta
wich vor ihm zurück und knickste, wie man es früher bei Hof gemacht hat, und
ich nahm meine Baskenmütze ab. Unter der Hutkrempe des Mannes schimmerten große
blaue Augen. Dann sah mich Senta an, als sagte sie: »Hüte dich, zu fragen, wer
das ist.« -
Hermann Lenz, Spiegelhütte. Frankfurt am Main 1999 (zuerst 1962)
Machthaber (6) »Ja, der Statthalter... Diese Figur ist sehr merkwürdig. Und wahrscheinlich sogar suspekt: Ich meine, heutzutage ... Dabei spielt alles in einer imaginären Zeit wie nach dem Tode... Was hast du beispielsweise mit dem dicken Mann sagen wollen, der durch eine enge, holperige Gasse abwärts geht, ein dünnes Rohrstöckchen bei sich hat und dem die Buben nachschreien: Herr Regen?« fragte der Vater.
»Das ist der Tod.« - Hermann Lenz, Der Wanderer. Frankfurt am Main
1988 (zuerst 1986)
Machthaber (7) Nachmittags besuchte uns ein
Befehlshaber, der auch von Borabora gebürtig war und meines Vaters Namen
annahm, dagegen mein Vater den seinigen annehmen mußte. Er hies Herea,
und war so dick als wir sonst niemanden in der Süd-See gesehen hatten.
Um den Bauch mas er 54 Zoll, Und jeder seiner Schenkel hatte 31 und ¾ Zoll
im Umfange. Auch sein Haar war merkwürdig; es hieng ihm in langen, schwarzen,
wellenförmig-geschlängelten Flechten bis auf die Hüften herab, und war
so stark, daß sein Kopf davon noch einmal so dick zu seyn schien als von
Natur. Corpulenz, Farbe und Puncturen waren bey ihm Unterscheidungszeichen
seines Ranges, welcher ihn, gleich den Großen auf
Tahiti, zum Faullenzen und zur Schwelgerey
berechtigte. -
(for)
Machthaber (8) »Größe ist immer gefährlich«, meinte
Pangloß, »alle Philosophen sind darin einig. Denn schließlich wurde Eglon, der
König der Moabiter, von Ehud meuchlings ermordet. Absalom blieb mit den Haaren
am Baum hängen und wurde von drei Speeren durchbohrt. König Nadab, der Sohn
des Jerobeam, wurde von Baasa umgebracht, König Ela von Simri, Ahasja von Jehu,
Athalja von Johada. Die Könige Joakim, Jojachin und Zedekia gerieten in Sklaverei.
Sie wissen ja, wie Krösus, Hannibal, Darius, Dionys von Syrakus, Pyrrhus, Perseus,
Astyages, Jugurtha, Ariovist, Cäsar, Pompeius, Nero, Otho, Vitellius, Domitian,
Richard II. von England, Eduard II., Heinrich IV., Richard III., Maria Stuart,
Karl I., die drei Heinriche von Frankreich, Kaiser Heinrich IV. ums Leben kamen? Sie wissen .. .« - »Ich weiß auch, daß wir unseren Garten bestellen müssen.«
- Voltaire,
Candide oder Der Glaube an die beste der Welten, nach (
vol2
)
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