acht,
geistige Es gibt viele Beispiele, die uns die wunderbare Macht des Geistes
über den Körper zeigen. So schreibt Avicenna von einem Menschen, der lahm wurde,
so oft er wollte. Einzig in seiner Art ist, was man von Gallus Vibius erzählt,
der nicht aus einem unglücklichen Zufall in Wahnsinn verfiel, sondern eigentlich
aus freier Wahl. Er wollte nämlich den Narren spielen und glaubte, seine Tollheit
sei nur ein Geniestreich; allein er wurde darüber wirklich wahnsinnig. Augustinus
erzählt von Menschen, welche die Ohren nach Belieben bewegen, und von anderen,
die, ohne den Kopf zu bewegen, den ganzen Scheitel bis zur Stirne herabdrücken
und wieder zurückziehen könnten, wie sie wollten. Ein
anderer habe schwitzen können, so oft er gewollt. Bekannt ist auch,
daß einige zu weinen und reichliche Tränen zu vergießen imstande sind, wenn
sie wollen. Andere findet man, die Verschiedenes von dem, was sie verschluckt
haben, ganz nach Belieben wie aus einem Sacke wieder von sich geben können.
Und noch heutzutage sieht man viele, welche die Stimme der Vögel und anderer
Tiere, sowie die eines jeden beliebigen Menschen so genau nachzuahmen und wiederzugeben
verstehen, daß man diese nachgemachten Stimmen von den wahren gar nicht unterscheiden
kann. Plinius führt selbst viele Beispiele an, daß Frauen in Männer verwandelt
worden seien, und Pontanus bezeugt, es sei zu seiner Zeit Ähnliches vorgekommen,
nämlich bei einem Weibe von Cajeta und einer gewissen Emilia, die, als sie beide
geheiratet hatten, nach mehreren Jahren in Männer verwandelt wurden. - (nett)
Macht, geistige (2) Das Bewußtsein, daß manche Menschen »Andre« sind, ist längst und überall verbreitet. Es wird auch nicht gut sein, dieses Bewußtsein überschnell zu steigern, denn es wird den gesamten Volkskörpern zunächst schwer, zu verstehen, daß dieses Anderssein zu einer von ihnen völlig abgelösten Art geführt hat und daß diese Andren ihrer Jurisdiktion in jeder Hinsicht entzogen sind.
Die Andren müssen bald den Weg erkennen, geistige Kräfte zu entwickeln, welche
ihnen erlauben, sich in einer unkörperlichen Weise zu wehren. Bisher geschieht
es nur sporadisch, daß Menschen andrer Art Angriffe und Verletzungen damit beantworten,
daß sie den Gegnern dieses und jenes ernste Unwohlsein bereiten. Die Reihe dieser
Möglichkeiten zieht sich zwar durch die ganze Menschengeschichte hin, aber sie
hat bisher als Legende gegolten. Man hat von den Todas und andren Völkern gesprochen,
die ihre Angreifer bis zum Tod mit Fiebern verfolgen, man hat von ungerecht
Angeklagten gesprochen, denen mehr als ein Richter zum Opfer fiel, aber diese
Dinge haben im Gebiet der Legende nichts mehr zu schaffen, wenn es sich um wohlerworbene
Kräfte handelt, die biologisch schon heute verständlich sind. Sie beruhen nicht
auf Feindschaft, sondern ergeben sich, wenn Menschen die Lebensseele Andrer
an sich ziehen, weil sie gezwungen sind, sie zu absorbieren. Diese Dinge haben
schon in der einfachen Tierstufe ihre Wirklichkeit. Schlangen wirken auf Vögel
und Amphibien nicht nur, sondern auch gelegentlich auf Menschen so, daß eher
ihre Seele in die Schlange eingeht, als ihr Körper stirbt. Es ist eine allgemeine
Erfahrung, daß selbst Hunger ausreicht, auf »Gegner« einen äußerst unbehaglichen
Eindruck zu machen und Lebenskräfte auf diesem physisch zunächst nicht sichtbaren
Wege von ihnen abzuziehen, ohne daß eine böse Absicht der Hungernden vorliegt.
Wenn der Mensch sich zum Experiment macht, nachdem alle andren Lebenswege nichtig
waren, lassen sich die erreichbaren Neugestaltungen im voraus nicht annähernd
übersehen. Es wird auf diesem Wege nicht weniger Opfermut und Wagnis geben als
in all den Heldentümern, die man bisher verehrt und angebetet hat. Man wird
von diesen Versuchen sagen dürfen, daß sie wahrhaftig zum Besten der menschlichen
Gesamtheit gedeihen werden, denn: die Natur kann mit dem Menschen, wie er ist
und so wie er ihrem Willen jede nur mögliche Unwissenheit und allen Widerstand
entgegenstellt, nicht mehr vorwärtskommen. Das ist es, was die letzten Zeiten
deutlicher als je vorher bewiesen haben. - Ernst Fuhrmann, Was die Erde will. Eine Biosophie. München
1986 (zuerst 1930)
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