Puxusartikel  Welch schöne Sache, sagte er sich, ist doch die Wissenschaft! Da entdeckt der Professor Selmi aus Bologna in verwesenden Leichnamen ein Alkaloid, das Ptomain, das in Gestalt eines farblosen Öls auftritt und einen sanften, aber zähen Geruch von Weißdorn, Muskat, Flieder, Orangenblüten oder Rosen verbreitet.

Das sind die einzigen Düfte, die man bisher in den Säften eines verwesenden Organismus hat finden können, aber andere werden zweifellos folgen; um einstweilen den Forderungen eines praktisch gesinnten Jahrhunderts Genüge zu tun, das in Ivry die Besitzlosen maschinell bestattet und alles nutzbar macht, die Abwässer, die Rückstände in den Fässern, die Därme der toten Tiere und alte Knochen, könnte man die Friedhöfe in Fabriken verwandeln, die je nach Auftrag für die reichen Familien konzentrierte Extrakte aus Ahnen, Essenzen aus Kindern, Parfüms aus Vätern herstellten.

Das wäre dann, was man in der Handelswelt einen Luxusartikel nennt; doch für die Bedürfnisse der arbeitenden Klassen, die natürlich nicht vernachlässigt werden dürften, würde man diesen Luxuswerkstätten umfangreiche Laboratorien angliedern, in denen man die Herstellung von Parfüms im Großen betriebe: tatsächlich könnte man sie aus den Überresten des gewöhnlichen Gräberfelds abdestillieren, um das sich ja doch niemand kümmert; dies hieße die Kunst der Parfumerie auf neue Grundlagen stellen, sie allen erschließen; dies wäre ein Massenartikel, die Parfumerie für den Markt, die die Ware sehr billig abgibt, da der Rohstoff in Fülle vorhanden und außer den Arbeitslöhnen der Exhumierer und der Chemiker sozusagen umsonst wäre.

Ach! Ich kenne viele Frauen aus dem Volke, die glücklich wären, für ein paar Groschen ganze Töpfe voll Pomade oder große Stücke Seife zu kaufen, die mit Essenzen für Proletarier parfümiert sind!

Und dann, welch unversiegliches Gespräch mit der Erinnerung, welche ewige Frische des Gedächtnisses könnten einem diese sublimierten Ausdünstungen der Toten schenken! -Heute kann, wenn von zwei Wesen, die sich lieben, eins unversehens stirbt, das andere nur seine Photographie aufbewahren und an den Allerheiligentagen sein Grabmal besuchen. Dank der Erfindung des Ptomains darf man von nun an die Frau, die man zu Hause verehrt hat, in duftender und spiritueller Form in der Tasche behalten, darf die Geliebte in ein Riechfläschchen verwandeln, sie zum Extrakt kondensieren, sie in Puderform in ein Riechkissen streuen, das mit einer schmerzlichen Grabschrift bestickt ist, darf sie einatmen an Tagen des  Elends und  sie an Tagen des Glücks aus einem Schnupftuch einsaugen.

Um ganz im Bereich der Possen des Fleisches zu bleiben, wir brauchten vielleicht nicht, wenn es endlich soweit ist, den unvermeidlichen »Ruf nach der Mutter« zu hören, denn diese Dame könnte ja anwesend sein, und verborgen unter einem Schönheitspflästerchen oder einer weißen Schminke beigemischt,  auf  der Brust der Tochter  ruhen, wenn diese in Ohnmacht fällt, wobei sie nur darum nach ihrem Beistand ruft, weil  sie recht gut weiß, daß jene nicht kommen kann. Auch werden mit Hilfe des Fortschritts die Ptomaine, die heute noch furchtbare Gifte sind, in Zukunft zweifellos ohne Gefahr verdaut werden; warum sollte man dann nicht mit ihren Essenzen gewisse Speisen parfümieren? Warum nicht dieses duftende Öl benutzen, wie man sich heute der Zimt- und Mandel-, der Vanille- und Nelkenessenzen bedient, um den Teig gewisser Kuchen noch wohlschmeckender zu machen?  Genau wie für die Parfumerie würde sich so ein neuer, zugleich ökonomischer und gefühlvoller Weg für die Kunst des Kuchen- und Zuckerbäckers öffnen.

Endlich könnten die erhabenen Familienbande, die diese elenden Zeiten der Respektlosigkeit lockern und lösen, durch die Ptomaine mit Sicherheit gefestigt und neu geknüpft werden. Ihnen wäre gleichsam eine fröstelnde affektive Annäherung, gleichsam ein Schulter-an-Schulter immer lebendiger Zärtlichkeit zu verdanken. Unaufhörlich führten sie den günstigen Augenblick herbei, der das Leben der Abgeschiedenen ins Gedächtnis ruft und ihren Kindern als Vorbild zitiert, deren Gefräßigkeit so die vollkommene Klarsicht der Erinnerung behielte. - Joris-Karl Huysmans, nach (hum)

 

Luxus Geschaeftsidee

 

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