uxuration   Qvietone erklärt ihm seine Zuchtergebnisse mit Pyrhocoris apterus auf fremdsprachigen Zeitungen, die inhibitorische Wirkung einiger Papiersorten auf das Wachstum der Feuerwanzen. Nordanc liest die Namen, als letztes: ›Berlingske Tidene‹. »Hast du es mit deutschen Zeitungen probiert?«

»Ja, davon hatte ich die meisten, sie bleiben in den Zügen liegen, auch wenn an der Grenze kontrolliert wird. Die Versuche habe ich wieder abgebaut, so viele Zylinder hatte ich nicht, aber hier habe ich es notiert:  ›Spandauer Volksblatt‹,  ›Falter‹,  ›Neue Zürcher Zeitung‹ - inaktiv;

 ›Neues Deutschland‹,  ›Volksstimme‹,  ›Luzerner Nachrichten‹,  ›Der Spiegel‹ — Wanzen gedeihen;

 ›Kronenzeitung‹,  ›Die Welt‹,  ›Frankfurter Allgemeine‹ — das Papier muß die Funktion der Malpighischen Gefäße fördern, besonders das Glanzpapier des Feuilletons: viel Flüssigkot. Dadurch könnte auch die Zahl der Darmgäste beeinflußt werden, vor allem bei den Zikaden. Von Parasitismus kann man da nicht sprechen, beide Seiten profitieren voneinander, außerdem ist die Anzahl der Symbionten begrenzt. Die fünffleckige Buckelzirpe mit ihren sechserlei Eibewohnern verdient eine extra Studie, eine Hexasymbiose ist rar. Das Problem ist dabei weniger die Beziehung zum Wirt, als die Verträglichkeit der Symbionten untereinander, bei mancher Acquisition geht ein alter Gast zugrunde. Aus dem Eliminieren und Kooptieren verschiedener Anwärter ist im Laufe der Zeit bei der Buckelzirpe ein stabiler Symbiontenschatz entstanden, wohldosiert und geordnet, kein Vergleich mit einer Invasion parasitischer Bakterien oder Hefen.«

»Meinst du?«

»Die Polysymbiosen sind überhaupt bemerkenswert«, fährt Qvietone fort, »aus der Fülle der Aufbereiter entstehen Überbauten — Schilde, Buckelhörner, Pseudofühler, eine aufgesetzte Laterne bei den Fulgoriden, lebende Excentriques — alle funktionslos, reine Luxurationen.«

»Also eine Art zoologische Äquilibristik«, erkundigt sich Nordanc, »unten die schweren Hefen, darüber die selbstgenügsamen Infusorien und oben auf der Pyramide ein grünes Augentierchen, das mit seiner Geißel winkt?«, er ist überrascht, daß er sich an die Namen erinnert.

»Nicht die Symbionten bilden den Baustoff, sondern die Vielfalt der Stoffe aus der symbiontisch erschlossenen Nahrung«, korrigiert Qvietone, »des Lebens Überfluß, wenn du so willst; sie haben einfach zu viel Energie

»Können vor Kraft nicht laufen.«

»Ja, und deshalb legen sie sich Buckel zu, Auswüchse, Interessantheiten, heraldische Male. Je älter die Wirtsart ist, desto mehr Symbionten unterhält sie, desto mehr neigt sie zu Luxurationen. Mittellose Insekten müssen sich mit Stinkdrüsen begnügen.«   - Libuše Moníková, Die Fassade. München 1990 (zuerst 1987)

 

Evolution Überfluß

 

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