ustmord
In meiner Jugend habe ich einmal einen Lustmord
geplant, sagt ein älterer Herr. Ich habe ihn dann allerdings nicht ausgeführt,
nein, wirklich nicht. Als ich so planend auf meiner Parkbank sitze. Sie
können sichs vorstellen, gegenüber einer Straßenbahnremise, kommt eine
geschwätzige Frau und setzt sich neben mich. Ich —, na, ich laß mich doch
nicht durch einen Ablenkungsfehler ins Zuchthaus bringen —, ich sage der
Frau einfach, bitte. Gnädigste, seien Sie mir nicht böse, aber ich bin
in einer schweren Meditation. Oh, verzeihen Sie vielmals, sagt sie, sind
Sie vielleicht Buddhist?; wir hatten einen Nachbarn, einen seelenguten
Menschen ... Ist schon recht, sage ich; nein, ich bin Laientrappist; hören
Sie doch auch einmal auf die Botschaft der Stille.
Nun, meine Nachbarin nimmt meine Worte ernst, und, was sagen Sie: sie gestaltet
von der Stunde an ihr Leben fromm. Ich hab es später in einer Missionszeitung
gelesen.
Ich habe mich manchmal gefragt, wieweit das ein Beweis gegen die Frömmigkeit
ist. Ich glaube heute, es ist keiner. Ich glaube, es ist kein Argument
gegen die Physik, wenn ein Papagei eine richtige
Formel an die richtige Adresse bringt, ohne Physik studiert zu haben. -
(
oko
)
Lustmord (2) Giftmörderinnen
sind in den meisten Fällen sexualpathologisch krank veranlagt. Der Giftmord
stellt den Lustmord der Frau dar, die infolge des hiebei erforderlichen geringen
Kraftaufwandes zu dieser Methode greift. Auch Sade weiß die Giftmischerei als
ein Stimulans erotischer Exzesse auszuwerten, so wenn die Durand mit dem »poudre
du crapaud verdier« ein Mädchen in coitu vergiftet usw. Die Renaissancezeit
kannte die schöne Lukrezia Borgia als berüchtigte G. Eine wahre Epidemie der
Giftmorde, hinter denen ausnahmslos Frauen standen, war im letzten Viertel des
17. Jahrhunderts in Frankreich ausgebrochen, so daß man 1679 ein besonderes
Tribunal, die »chambre ardente«, einsetzen mußte. An der Spitze der G. stand
ein wahrhaft teuflisches Weib, Marie Madeleine Marquise de Brinvilliers (1630-1676)
und aus ihrer Autobiographie ergab sich, daß sie durch ihr ganzes Leben eine
unersättliche Geschlechtslust erfüllte. Sie wurde schon mit 8 Jahren verführt
und stand mit ihren Brüdern in inzestuösem Verkehr.
Freilich geht aus den Akten nicht hervor, ob sie ihre zahlreichen Opfer auch
sexualpathologisch befriedigten. - (
erot
)
Lustmord (3) Prometheas
Unbeweglichkeit im Tod war ihrer verschlossenen Ruhe im Leben ähnlich. Die dreieckige
Wunde, tiefrot und dunkelviolett, bildete einen schroffen Kontrast zu dem bleichen
Körper und dem hellen Orange des Kleids. Der Jockei mußte schon lange verschwunden
sein. Ob er Jockei war, hat man übrigens nie feststellen können, wohl aber,
daß er ein Lustmörder war. Der Mord brachte Ika Loch aus der Fassung. Man kam
doch nicht in ein Bordell, um zu morden, sondern um sich zu amüsieren, wie sie
das nannte. Und was die Polizei da über Lustmord redete, wollte ihr nicht eingehen;
sie sah keine Verbindung zwischen Lust und Mord. -
Paul van Ostaijen, Grotesken. Frankfurt am Main 1967 (es 202, zuerst 1926)
Lustmord (4)
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