Luftblase »Es ist wahrscheinlich etwas so Einfaches und Augenfälliges daß es uns nicht einfällt«, sagte Parker. »So eine Art Lehrsatz wie man ihn in der vierten Klasse lernt und nie anwendet Rudimentär. Wie der Idiot mit dem Motorrad, den wir bei Crofton trafen, der im Regen saß und um Hilfe betete, weil er noch nie von einer Luftblase in der Leitung gehört hatte. Dabe hatte er sicher gelernt — ja, was ist denn mit dir?«

»Herrgott!« schrie Wimsey und schlug mit der Hand auf der Frühstückstisch, daß alles klirrte. »Herrgott! Das ist es ja! Du — du hast es ja gesagt! — augenfällig? Himmel — dazu braucht es ja keine Analyse, jeder Arbeiter aus einer Garage könnte es einem sagen! Die Leute sterben jeden Tag daran. Natürlich war es eine Luftblase in der Leitung.«

»Achten Sie nicht auf ihn, Doktor«, sagte Parker, »so ist ei immer, wenn er eine Idee hat. Es gibt sich mit der Zeit. Möchtest du dich nicht näher erklären, alter Junge?« Wimseys blasses Gesicht war gerötet. Er wandte sich an den Arzt.

»Hören Sie mal«, sagte er, »der menschliche Körper ist doch eine Pumpmaschine, nicht wahr? Das brave alte Herz pumpt das Blut durch die Arterien, dann zurück durch die Venen und so fort, nicht wahr? Das hält die Sache in Gang. Rundum in zwei Minuten — oder so ähnlich, wie?« »Gewiß.«

»Eine kleine Klappe, um das Blut heraus-, und ein zweite, um es 'reinzulassen — wie eine innerliche Maschine, nicht wahr?« »Natürlich.«

»Und vorausgesetzt, sie bleibt stehen?« »Dann stirbt man.«

»Gut. Also passen Sie auf! Stellen Sie sich vor. Sie nehmen eine schöne große Injektionsspritze, die leer ist, stechen in eine Arterie und drücken den Kolben 'runter — was würde geschehen? Sie würden eine große Luftblase in ihre Maschinenleitung hineinpumpen, nicht wahr? Was würde dann aus Ihrem Blutkreislauf?«

»Er würde aufhören«, sagte der Arzt, ohne zu zögern. »Deshalb müssen Pflegerinnen vorsichtig sein, daß die Spritzen immer ordentlich gefüllt sind, besonders bei einer intravenösen Injektion

»Ich wußte ja, es war etwas, das man in der vierten Klasse lernt. Aber bitte, weiter: Ihr Blutkreislauf würde stillstehen — es hätte die Wirkung einer Embolle, nicht wahr?« »Nur in einer Hauptarterie natürlich. In einer kleineren Ader würde das Blut sich einen Weg suchen. Deshalb ist es so wichtig, daß Embolien — Blutgerinnsel — sich so bald als möglich verteilen und nicht im Körper herumwandern.« »Ja — ja — aber die Luftblase, Doktor — in einer Hauptschlagader — sagen wir, der im Schenkel oder der Ellbogenbeuge ~ die würde den Blutkreislauf aufhalten, nicht wahr? Wie schnell?« »Sofort. Das Herz würde zu schlagen aufhören.«

»Und dann?« »Dann stirbt man.« »Unter welchen Symptomen?«

»Beinahe gar keinen, außer einem Schnappen nach Luft. Dann ist's einfach aus. Wie ein Versagen des Herzens. Es ist tatsächlich ein Versagen des Herzens.«

»Wie ich das kenne . . . dieses Schnaufen im Vergaser! Und was wären für Symptome nach dem Tod?« »Gar keine, das heißt, nur Erscheinungen von Herzschwäche. Und natürlich der kleine Nadelstich, wenn man zufällig danach suchen würde.«

»Sind Sie dessen ganz sicher, Doktor?« fragte Parker. »Natürlich. Es ist ja ganz klar, nicht? Ein einfaches mechanisches Problem.«

»Könnte es bewiesen werden?« beharrte Parker. »Das wäre schwieriger.« - Dorothy Sayers, Eines natürlichen Todes. Bern München 1977

Luftblase (2)

Blase Luft Todesart

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