ügenbeutel Da lügt er, daß die Berge fliegen, schneller als die Falken; er walkt und filzt alles zu einem Lügensack zusammen. Er lügt, daß die Milz einer Milbe größer als die eines Hasen sei, er lügt, daß er mit einer Maus einen Walfisch fange, den er auf seinen Tisch legt und ihn drei Weglängen lang lügt.
Der Lügenmeister lügt drauf und drein, er lügt, daß er vierzig Maurer in
einer Nußschale beschlossen mitten auf das Meer führte und daß er sie zwei Türme
auf ein Lindenblatt mauern ließ und sie mit allem Fleiß bat, ja dazu rote Marmorsteine
zu nehmen, sonst könne er daheim Verdruß haben. Der wahre Lügner macht euch
aus Eis ein gut brennendes Feuer; er lügt, daß dies Eis prasselt und kracht
und brennt wie dürres Holz. Derselbe Lügenbeutel lügt: er sähe auf den Wolken
einen Schlitten fahren, so schnell als flöge er; er lügt, daß ein Esel den Schlitten
ziehe und auf dem Schlitten reiten sieben Frauen in vollem Putz, die tragen
alle Kronen; und neben ihnen laufen zwölf junge Pagen, die blasen Posaunen,
die man weit hallen hört. Am Schlitten hängen genug goldene Schellen, die machen
hellen Klang. Hinterdrein reiten tausend Reiter auf ebensovielen Saumrossen.
Der Lügner sorgt dafür, daß die Lügner hinter dem Schlitten auf den Wolken reiten
und nicht herunterfallen und damit über das Meer ziehen. Der wahre Lügner lügt,
er habe auf einer Wiese gesehen, wie einen halben Tag lang ein Zwerg und ein
Riese miteinander gefochten haben; da nahm der Zwerg einen Sack,
stieß den Riesen hinein, lief mit ihm dahin sieben lange Weglängen und band
den Sack an einen Baumast, wohl tausend Klafter hoch. Dann ging der Zwerg
seiner Wege und ließ den Riesen baumeln. - Ludwig
Bechstein, nach:
Lügenmärchen aus alter und neuer Zeit. Hg. Georg A. Narciß. Frankfurt am Main
1966 (Fischer-Tb. 744)
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