Luderweinchen  Es war ein wunderbarer Tag: einer jener so glanzvoll römischen Tage, daß sogar ein Staatsbeamter achten Grades (aber schon mit einem Fuß im siebten), gut, also selbst so einer, etwas Unbeschreibliches seinem Herzen sich aufkräuseln spürt, etwas, das dem Glück nicht unähnlich ist. Es kam ihm vor, als ob er wirklich Ambrosia einschnaufte, mit der Nase, sich in die Lungen rinnen ließ: goldene Sonne auf dem Travertingestein oder dem Peperin aller Kirchenfassaden, auf dem Gesims einer jeden Säule, wo schon die Fliegen herumschwirrten. Und dann, er hatte bereits ein ganzes Programm im Kopf. In Marino, gibt's außer der Ambrosia, in der Weingrotte des Signor Filippo nämlich, einen ungebärdigen Weißen: ein Luderweinchen, ein vierjähriges, in gewissen Fläschchen, das vor fünf Jahren noch das Ministerium Facta elektrisiert hätte, wenn der Facta factorum imstande gewesen wäre, dessen Existenz aufzuspüren. Hatte die gleiche Wirkung wie Kaffee, auf seine molisischen Nerven: und bot ihm übrigen alle Lüste - mit allen Abstufungen - eines alten Klasseweins dar: die Zeugenschaften und die reichmodulierten Zungen-Gaumen- Kehlkopf-Speiseröhren-Vergewisserungen einer dionysischen Einvernahme. Mit einem oder einigen Becherchen in der Krone, wer weiß!  - Carlo Emilio Gadda, Die gräßliche Bescherung in der Via Merulana. München 1988
 
 

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