öwenmusik  Mittendrinn im grossen Wirrwarr sitzt der grosse Riese Raifu. Raifu schweigt.

Wildzerzauste brandrothe Haare umflattern sein hässliches gelbes Gesicht.

Im schneeweissen Mantel, der tausend Farsangen lang ist und furchtbar breit, sitzt er da - wie ein weisser Riesengletscher.

Sein wilder rother Bart weht seitwärts tief in ein dunkles Thal hinab.

Und zwölf schwarzgekleidete Zaubrer umwandeln das Riesenhaupt in Augenhöhe.

Die Zwölf sehen so winzig klein aus - sie tragen schwere eiserne Zauberstäbe auf den breiten Schultern. Die Schwarzgekleideten schreiten durch die Luft in gleich-massigem Schritt; und wer am linken Ohre des Riesen vorbeikommt, der schreit da was hinein. Und Jeder schreit dasselbe. Jeder schreit:

»Herr, lass die Löwen hier!«

Doch des Riesen Stirn wird immer finstrer, mächtige Furchen graben sich hinein; und dabei verzerrt sich der untere Theil des Gesichtes, als wenn's lachen wollte. Und grimmig grinsend spricht der grosse Riese: »Nein! meine fünf Löwen sollen nun grade mitkommen. Meine fünf Löwen sind verbissene Kröten, aber sie können lachen; und mir thut es so wohl, wenn ich verbissene Kröten kräftig lachen höre. Es bleibt dabei: sie kommen mit!« Nach diesen Worten erheben die fünf Löwen ein so fürchterliches Freudengebrüllj dass das ganze Himmelsgewölbe zittert - dass sogar die alten Sterne zu schwanken beginnen.

Die fünf Löwen sind natürlich keine gewöhnlichen Löwen; das Gewöhnliche liebt der Riese Raifu ganz und gar nicht. Die Fünf sind hellblaue Löwen - leuchtende Löwen! Sie erleuchten den ganzen Demawand - wie lebendige Laternen.

Ihr Licht leuchtet wie das Geisterlicht des Blitzes - blitzblau!

Die Fünf sind auch Geister - Söhne des Geisterblitzes! Jeder von den Söhnen ist so gross wie vierzig dicke Elephanten zusammen.

Die Blitzblauen stehen auf fünf spitzen Bergkegeln und brüllen - und ihr Brüllen donnert - und dieser Donner ist ein Lachen - ein märchenhaftes Lachen der Tollheit. Und sie knallen dazu mit den Schwänzen. Das andre Geistervolk des Demawands verstummt vor diesem grossen Gelächter und vor diesem grossen Geknall. Die zwölf Zaubrer umwandeln nicht mehr des Riesen Haupt - sie sitzen jetzt in seinen flatternden brandrothen Locken und halten sich an einzelnen Haaren mit aller Kraft fest - denn einen Sturmwind haben die Kehlen der Löwen entfesselt; es rauscht in den Tannen, es knistert in Raifu's Haaren, rollende Steine poltern in die Thäler hinunter. Die Löwen lachen und knallen, dass es weh thut! Ohrzerreissender Lärm! Weltradau!

Selbst die wildesten Geister müssen verstummen vor dieser Löwenmusik.   - Paul Scheerbart, Der Tod der Barmekiden. Arabischer Haremsroman. München 1992 (zuerst 1897)

 

Löwe Musik

 

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