öwe,
sprechender Ich werde Ihnen endlich erzählen, wie es mir gelang,
meinen zweiten Löwen zu erlegen. Dieser zweite Löwe,
Nicolasa, war ganz anders als der erste. Ich erinnere mich, daß er plötzlich
zwischen ein paar Palmen auftauchte und mir unverwandt in die Augen starrte.
»Wie heißt du«, fragte er mich. »Armando«, sagte ich, während ich unauffällig
meine Büchse von der Schulter nahm. »Also, ich heiße Nicanor«, stellte er sich
daraufhin vor. Und ich sagte zu ihm, daß gerade dieser Name wie kein andrer
zu den wahren Löwen passe und daß er stolz darauf sein könne, zu heißen wie
er heiße, obwohl sich auch im Fall der Löwen nicht behaupten läßt, daß die Namensfrage
etwas Grundlegendes und Entscheidendes ist... Nein, Nicolasa, ich mache mich
nicht über Sie lustig, die Dinge haben sich genauso zugetragen, wie ich Sie
Ihnen erzähle. Dieser Löwe war aus einem Zirkus entflohen
- wie jene Tiger, die eine afrikanische Dynastie begründeten -, aber da er keine
Partnerin hatte, streifte er verwirrt durch den Urwald. In Wirklichkeit war
er ein trauriger, einsamer Löwe, der nur noch Haut und Knochen war. Die Haut,
ausgebessert mit verschiedenfarbigen Flicken, war ihm zu weit und bildete große
Falten an den Seiten. Ich dachte, es lohnte die Mühe nicht, ihm die bittere
Pille zu versüßen und die Zeit mit Umschweife zu verlieren. Ich fragte ihn,
ob er lieber durch einen Schuß ins Herz oder durch einen Schuß in den Kopf sterben
wolle. Ins Herz, antwortete er, aber zielen Sie gut,
denn mein Herz ist ungewöhnlich weit nach rechts verlagert. Und er gab mir diese
Erklärung mit einer derart resignierten Miene, daß mir die Vermutung kam, daß
dieses Tier schon recht lange durch den Urwald streifte, auf der Suche nach
einem Jäger, der seinem Leid endlich ein Ende machen würde. Ich fackelte nicht
lange, und um so rasch wie möglich Schluß zu machen, verpaßte ich ihm einen
Schuß zwischen die Augen. - Javier Tomeo, Der
Löwenjäger. Berlin 1988
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