iteraturgespräch Sie nahm wieder auf dem Taburett Platz, legte den einen ihrer mageren Arme um ihre Knie, während sie mit der anderen Hand die Zigarette hielt, wandte den Kopf und betrachtete den durchstöberten Wirrwarr von Büchern, die, teils geöffnet, teils geschlossen, das lavendelfarbene Sofa bedeckten. „Nein, ich bin .Tristram Shandys' müde", sagte sie. „In der Tat, ich erlebe jetzt eine Reaktion gegen alle diese alten Bücher, die so gänzlich Männerbücher sind — voll von männlichen Vorurteilen, männlichen Lastern, männlicher Selbstzufriedenheit! Wissen Sie, Wolf, ich meine, es ist schade, daß die besten alten Bücher alle von Männern geschrieben sind. Was ich gerne lesen würde, wäre eine elisabethinische Jane Austen, eine Jakobeische Emily Brontë, eine George Elliot aus dem achtzehnten Jahrhundert. Es ärgert mich so, daß die besten Schriftstellerinnen alle jener Zeit entstammen, in der die Sitte aufgehört hat, die Dinge beim rechten Namen zu nennen."
Es lag für ihn etwas so Seltsames darin, daß Christies zarte Persönlichkeit erregt sein sollte von der Notwendigkeit eines drastischen Realismus, daß er sie verblüfft ansah.
„Man ist doch jetzt nicht so prüde, nicht wahrj" sagte er.
Aber es war ihm schwer, diesem Dialog seine volle
Aufmerksamkeit zu schenken. Ein anderer, viel wichtigerer Dialog spielte
sich jetzt in seinem Gemüte ab. Mit konzentriertem Interesse hatte er
bereits bemerkt, daß sie unter ihrem dünnen braunen Rock braune
Seidenstrümpfe trug. Der Anblick ihrer nackten Arme ließ ihn bei dem
Gedanken, wie sie diese Strümpfe ausziehen würde, erschauern! Es schien
ihm absurd, daß er nicht einmal niederknien und die Spangen ihrer
schwarzen Kleinmädchenschuhe aufknöpfen dir e. Der Gedanke, „sie hat nie
einen Geliebten gehabt... keiner hat sie je entkleidet ... sie weiß
nicht, was es heißt, vom Kopf bis zum Fuß vergöttert zu werden", lief
gleich mitreißenden kleinen Quecksilbertropfen durch seine prickelnden
Nerven. „Unter diesem braunen Kleid, unter allem, was sie am Leibe
trägt, ist sie so schlank und glatt wie ein Glockenblumenstengel, der an
der Wurzel aufgehoben wird." - John Cowper Powys, Wolf Solent. Wien Hamburg 1986 (zuerst 1929)
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