iteratur, apokryphe Wie bezwingt man nicht die Autoren, sondern die Funktion des Autors, die Idee, daß hinter jedem Buch einer steht, der dieser Welt von Trugbildern und Erfindungen eine Wahrheit garantiert, bloß weil er seine eigene Wahrheit in sie investiert hat und sich selbst mit diesem Wörtergebilde identifiziert?
Seit jeher schon, da seine Vorlieben und Talente ihn dazu drängten,
aber mehr .denn je seit sein Verhältnis zu Ludmilla in die Krise geraten war,
träumte Ermes Marana von einer durch und durch apokryphen Literatur aus lauter
falschen Zuweisungen, Imitationen, Unterschiebungen und Pastiches. Wenn seine
Idee sich durchgesetzt hätte, wenn eine systematisch erzeugte Ungewißheit
über die Identität des Schreibenden den Leser daran gehindert hätte, sich vertrauensvoll
dem Gedruckten hinzugeben - nicht so sehr dem, was ihm da erzählt wird, als
vielmehr der stummen Stimme dessen, der da erzählt -, dann hätte sich äußerlich
wohl am Gebäude der Literatur nicht viel verändert ... aber darunter, im Unterbau,
wo sich das Verhältnis des Lesers zum Text herstellt, dort wäre etwas für immer
anders geworden. Ermes Marana hätte sich nicht mehr verlassen gefühlt von der
in ihre Lektüre vertieften Ludmilla: Zwischen sie und das Buch hätte sich dauernd
ein Schatten der Mystifikation eingedrängt, und er, Marana, der sich mit jeder
Mystifikation identifizierte, hätte seine Präsenz behauptet.) - Italo Calvino, Wenn ein Reisender
in einer Winternacht. München 2007 (Zuerst 1979)
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