Kein goldnes Monument, kein Marmorstein Wenn wüster Krieg Denkmale macht zu Staub, Du gehst durch Tod und Allvergessenheit Bis du dich selbst wirst aus dem Grab
erheben, |
- Shakespeare, Übs. Therese Robinson
Lied (2) Das Regiment von Preobajensky marschierte vorbei. Die Militärkapelle spielte eine alte Weise, nach der die Soldaten traurig sangen:
Verflucht soll deine Mutter
sein!
Zieh in den Krieg, du armer Bauer,
Und schon wird deine Frau bestiegen
Von
allen Stieren deines Stalls.
Und du mußt dir den
Pimmel von
Sibiriens Fliegen kitzeln lassen.
Doch
reich das Glied den Biestern nicht
Am Freitag, da
wird streng gefastet,
Da darfst du ihnen nicht mal Zucker geben.
Aus Totenbein
ist der gemacht.
Beschlagen wir doch, Bauern, meine Brüder,
Die Stute
eines Offiziers.
Sie hat ein weniger großes Loch
Als
alle die Tatarenweiber.
Verflucht soll deine Mutter sein!
- Guillaume
Apollinaire, Die elftausend
Rute
n.
München 1985 (zuerst 1907)
Lied (3)
A Sort of a Song Let the snake wait under - through metaphor to reconcile |
Eine Art Lied Laß die Schlange warten - Menschen und Steine versöhnt |
- William Carlos Williams, nach (
mus
)
Lied (4) Als Säugling hatte Ted Strehlow eine Aranda-Amme, und er sprach bereits als Kind fließend Aranda. Später, nach Abschluß seines Universitätsstudiums, ging er zu »seinem Volk« zurück, und über dreißig Jahre lang hielt er in Notizbüchern, auf Tonbänden und Filmen die Lieder und die Übergabezeremonien fest. Seine schwarzen Freunde hatten ihn darum gebeten, damit ihre Lieder nicht ganz mit ihnen ausstürben.
Angesichts dessen war es nicht weiter überraschend, daß Strehlow eine zerrissene Persönlichkeit war: ein Autodidakt, der sowohl Einsamkeit als auch Anerkennung brauchte, ein deutscher »Idealist«, der mit den Idealen Australiens auf Kriegsfuß stand.
Aranda Traditions, sein früheres Buch, war mit seiner These, daß der Geist des »Primitiven« dem des modernen Menschen keineswegs unterlegen sei, seiner Zeit um Jahre voraus. Diese Botschaft, die bei angelsächsischen Lesern weitgehend auf taube Ohren stieß, wurde von Claude Levi-Strauss übernommen, der Strehlows Erkenntnisse in Das wilde Denken aufnahm.
Und dann, im fortgeschrittenen Alter, setzte Strehlow alles für eine grandiose Idee aufs Spiel.
Er wollte den Beweis erbringen, daß jeder Aspekt des Aborigine-Songs seine Entsprechung im Hebräischen, Altgriechischen, Altnorwegischen oder Altenglischen hatte: in den Literaturen, die wir als unsere eigenen ansehen. Er hatte den Zusammenhang zwischen Lied und Land erkannt und wollte das Lied jetzt an seiner Wurzel selbst fassen — im Lied einen Schlüssel finden, um das Geheimnis der menschlichen Existenz zu ergründen. Es war ein unmögliches Unterfangen. Er erhielt keinen Dank für seine Mühen.
Als die Songs 1971 erschienen, deutete eine nörgelige Besprechung im Times Literary Supplement an, daß der Autor sich der Verbreitung seiner »großen poetischen Idee« besser enthalten hätte. Über diese Kritik war Strehlow sehr aufgebracht. Noch aufgebrachter war er über die Angriffe von »Aktivisten«, die ihm vorwarfen, unschuldigen und arglosen Ältesten die Lieder zum Zwecke der Veröffentlichung gestohlen zu haben.
Strehlow starb 1978 an seinem Schreibtisch, ein gebrochener Mann. Seinem
Andenken wurde mit einer in abfälligem Ton gehaltenen Biographie gehuldigt,
die mir, als ich im Desert Bookstore einen Blick hineinwarf, den Eindruck vermittelte,
als sei sie nicht einmal der Verachtung wert. Er war, davon bin ich überzeugt,
ein höchst origineller Denker. Seine Bücher sind große, einsame Bücher. -
(chatw)
Lied (5)
Lied (6) Die Stämme an der Nordwestküste Amerikas - die Nootka, Haida, Kwakiutl und Eela Coola - liebten es nach wie vor, über das Meer zu fahren, und sie steuerten ihre Kanus die Strömung hinauf, die von Kalifornien bis zur Beringstraße verläuft und die sie »Klin Otto« nannten. Als Navigatoren füngierten Priesterinnen. In Sibirien waren sie als »Schamankas« bekannt. Die nachfolgend zitierten Worte einer alten Frau veranschaulichen eine über fünfzehntausend Jahre alte Tradition:
Alles, was wir über die Bewegung des Meeres wußten, war in den Strophen eines Lieds enthalten. Tausende von Jahren gingen wir, wohin wir wollten, und dank des Lieds fanden wir sicher zurück. In klaren Nächten ließen wir uns von den Sternen leiten, und im Nebel gab es die Ströme und Flüsse des Meeres, die Ströme und Flüsse, die hineinfließen und zu Klin Otto werden...
Es gab ein Lied für den Weg nach China und ein Lied
für den Weg nach Japan, ein Lied für die große Insel und ein Lied für die kleinere.
Sie mußte nur das Lied kennen, und sie wußte, wo sie war. Wenn sie heimkehren
wollte, sang sie das Lied ganz einfach rückwärts... -(
chatw
)
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