iebesregel
Der heilige Thomas von Aquin, dessen
Autorität alle seine Vorgänger in den Schatten stellte, und der die Kanones
und Dogmen in ein dauerndes, noch heute gültiges System
brachte, setzt mit erbarmungsloser Genauigkeit folgende Regeln fest: Ketzer,
sagt er, dürfen nicht geduldet werden. Die liebevolle Barmherzigkeit der Kirche
gestattet ihnen zwei Warnungen, worauf sie im Falle
der Hartnäckigkeit dem weltlichen Arme überlassen werden müssen, um durch den
Tod aus der Welt geschafft zu werden. Das, schließt er, zeigt die grenzenlose
Liebe der Kirche. Denn es ist weit schlimmer, den Glauben
zu verderben, von dem das Leben der Seele abhängt, als
Münzen zu fälschen, die nur für das zeitliche Leben den Unterhalt bieten. Darum,
wenn Falschmünzer und andere Übeltäter mit Recht sogleich zum Tode verurteilt
werden, müssen Ketzer mit noch viel mehr Recht, sobald sie überführt sind, hingerichtet
werden. Doch wird die Kirche in ihrer Gnade den Sünder
stets wieder in ihren Schoß aufnehmen, gleichgültig, wie oft er rückfällig gewesen
sein mag, und wird ihm voll Güte eine Buße auferlegen, wodurch er das ewige
Leben gewinnen kann; aber die Liebe gegen den einen darf nichts Böses für andere
mit sich bringen. Darum wird der erstmalige Ketzer, der bereut und widerruft,
zur Buße angenommen und sein Leben geschont; wenn er aber rückfällig wird, kann
er zwar um seines Seelenheils willen auch zur Buße zugelassen, aber von der
Todesstrafe nicht befreit werden. - Henry
Charles Lea, Die Inquisition. Hg. Joseph Hansen. Frankfurt am Main 1985 (Die
Andere Bibliothek 6, zuerst 1887)
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