iebeserklärung
An Anna Blume

Oh Du, Geliebte meiner 27 Sinne, ich liebe Dir!
Du, Deiner, Dich Dir, ich Dir, Du mir, ---- wir?
Das gehört beiläufig nicht hierher!
Wer bist Du, ungezähltes Frauenzimmer, Du bist, bist Du?
Die Leute sagen, Du wärest.
Laß sie sagen, sie wissen nicht, wie der Kirchturm steht.
Du trägst den Hut auf Deinen Füßen und wanderst auf die Hände,
Auf den Händen wanderst Du.
Halloh, Deine roten Kleider, in weiße Falten zersägt,
Rot liebe ich Anna Blume, rot liebe ich Dir.
Du, Deiner, Dich Dir, ich Dir, Du mir, ----- wir?
Das gehört beiläufig in die kalte Glut!
Anna Blume, rote Anna Blume, wie sagen die Leute?
Preisfrage:
1. Anna Blume hat ein Vogel,
2. Anna Blume ist rot.
3. Welche Farbe hat der Vogel?
Blau ist die Farbe Deines gelben Haares,
Rot ist die Farbe Deines grünen Vogels.
Du schlichtes Mädchen im Alltagskleid,
Du liebes grünes Tier, ich liebe Dir!
Du Deiner Dich Dir, ich Dir, Du mir, ---- wir!
Das gehört beiläufig in die ---- Glutenkiste.
Anna Blume, Anna, A----N----N----A!
Ich träufle Deinen Namen.
Dein Name tropft wie weiches Rindertalg.
Weißt Du es Anna, weißt Du es schon,
Man kann Dich auch von hinten lesen.
Und Du, Du Herrlichste von allen,
Du bist von hinten, wie von vorne:
A------N------N------A.
Rindertalg träufelt STREICHELN über meinen Rücken.
Anna Blume,
Du tropfes Tier,
Ich-------liebe-------Dir!

 - Kurt Schwitters

Liebeserklärung (2)  

Liebeserklärung (3)  Sie mußte sich ans Werk machen, an ein Werk, von dem sie nicht einmal ihn wissen lassen durfte. Denn sie experimentierte mit dem Leben selbst, droben im Dachstübchen. Sie hatte allen verboten, sich dem Zimmer zu nähern, unter dem Vorwand, sie repariere dort ihre >Puppen<, und in gewissem Sinne - sie mußte leise lachen - stimmte das ja sogar.

Draußen war es kalt. Burgverlieskalt, flüsterte sie bei sich, als sie die breiten Stufen hinaufeilte, die zum obersten Stockwerk des Nordturms führten. Da stand er schon in der Tür, ein elektrisches Kabel um den linken Fußknöchel. Hinter ihm blubberte es in den Röhren, und die Elektroden spuckten bläuliche Funkengarben.

»Was machst du d...?«

»Grrruaaachchch«, tönte es aus dem Monstrum.

Sie bemerkte, daß ihr sein Kopf im Vergleich zum Rumpf zu klein geraten war. Aber synthetisches Fleisch war eben heutzutage nicht so leicht zu beschaffen, wie die Leute dachten. Sie hatte mit kleinen Stücken und Fetzchen arbeiten müssen. Und daher sah er ein bißchen aus wie ein Fleckerlteppich aus Protoplasma.

Er versuchte, nach ihrer Hand zu greifen. Sie wich zurück.

Er tastete nach Papier und Bleistift und schrieb: »Ech... lüübe... dech!«

Wie gespenstisch! Und doch wie wunderbar! Er hatte über Nacht lesen und schreiben gelernt! Ganz allein! Und sie hatte ihn doch nur aus.. . nun, sozusagen aus Lumpen zu Großhandelspreisen gemacht!

»Ich glaube nicht, daß wir...«

»Uuuchch!« sagte er, und eine leise Zornesröte überzog die zusammengestoppelten Gesichtszüge, die da ein >Antlitz< darstellen sollten.

»Möchtest du etwas Preiselbeermarmelade?« fragte sie ihn in einem verzweifelten Versuch, ihn abzulenken, während sie die Spritze für eine subkutan zu verabreichende Dosis von 1000 ccm Phenobarbital, ihrem bevorzugten Schlafmittel, füllte.

»Stack. .. dirr. . . das .. . Zoicks .. . inn . . . Hinntern!« sagte er. Die Bemerkung ließ ihr keinen Spielraum mehr für eine Antwort. - Howard Moss: Mary Wollstonecraft Shelley - Augenblicke aus dem Leben großer Geister. Nach: Tintenfaß 15, Zürich 1986

Liebeserklärung (4) »Athene«, sagte er, »ich habe dich mein ganzes Leben lang geliebt, du weißt doch selber sehr gut, wenn du mich von dir weist, dann verdorre ich und verschwinde, ja, o Gott, ich verschwinde, Athene. Neige dich doch nieder zu mir und wirf mich in die Tiefe zurück. Hab Erbarmen mit mir.«

Einen Augenblick starrte das helläugige Mädchen ihn verwirrt an, dann schoß sie zu ihrer vollen Höhe empor, wie eine Schlange, wenn sie sich zum Stoß anschickt. Daß sie nicht nach Hilfe zu schreien versuchte, bewies ihm, daß sie ihre Situation hier im Haus ohne Freund erfaßt hatte, klarer, als er es ihr zugetraut hätte, oder auch, daß ihre breite junge Brust ein gut Teil reinster Kampfeslust barg. Im nächsten Augenblick schlug sie zu, wie ein Schmied mit seinem Hammer. Ihre blitzschnelle, harte, starke Faust traf ihn am Mund und schlug ihm zwei Zähne aus. Der Schmerz und der Geruch und Geschmack von Blut, das seinen Mund füllte, bewirkte, daß er vor Wut außer sich geriet. Er ließ sie los, um besser zupacken zu können, und eine Sekunde später hielten sie sich in einer Umarmung auf Leben und Tod umschlungen.  - (blix)

Liebeserklärung (5)   An der Bar waren einige Soldaten und drei Arbeiter von der Baumwollspinnerei, und an der Ecke saß vornübergebeugt ein Mann und ließ die Nase und das halbe Gesicht in sein Bierseidel hängen. Der Junge trug einen Sturzhelm, wie ihn Flugpiloten tragen. Als er das Cafe betrat, schnallte er den Kinnriemen ab und schlug die rechte Klappe über seinem kleinen rosa Ohr in die Höhe. Meistens, wenn er hier seinen Kaffee trank, redete der eine oder andere nett mit ihm. Aber heute früh blickte ihn Leo nicht an, und von den Männern sprach keiner. Er zahlte und wollte schon das Café verlassen, als ihm eine Stimme nachrief: »Son! Heda, Son!« Er wandte sich um, und der Mann an der Ecke hatte den Zeigefinger gekrümmt und nickte ihm zu. Er hatte das Gesicht aus dem Bierseidel gehoben und sah plötzlich sehr glücklich aus. Der Mann war groß und bleich und hatte eine lange Nase und ausgeblichenes apfelsinenfarbenes Haar.

»Heda, Son!«

Der Junge ging zu ihm. Er war etwa zwölf Jahre alt, aber im Wachstum zurückgeblieben, und wegen der Last seiner Zeitungstasche war die eine Schulter hinaufgezogen. Sein Gesicht war platt und von Sommersprossen übersät; seine Augen waren runde Kinderaugen.

»Ja, Mister?«

Der Mann legte die eine Hand auf die Schulter des Zeitungsjungen, faßte ihm dann unters Kinn und drehte sein Gesicht langsam von einer Seite auf die andre. Der Junge zuckte verlegen zurück: »Heh! Was woll'n Sie denn von mir?«

Die Stimme des Jungen war schrill; es wurde auf einmal ganz still im Café.

Der Mann sagte langsam: »Ich liebe dich!«   - Carson McCullers, Ein Baum, ein Felsen, eine Wolke. In: C.M., Gesammelte Erzählungen. Zürich 2005

Liebeserklärung (6)   Amor mio, ich liebe dich nicht um deinetwillen noch um meinetwillen noch um unser beider willen, ich liebe dich nicht, weil das Blut mich ruft, dich zu lieben, ich liebe dich, weil du nicht mein bist, weil du auf der anderen Seite bist, von wo du mich herüberwinkst, springen soll ich und ich kann nicht, weil du selbst in der tiefsten Vereinigung nicht in mir bist, ich dich nicht erreiche, nicht über deinen Körper hinwegkomme, über dein Lachen, es gibt Stunden, in denen es mich quält, daß du mich liebst (wie gern du das Wort lieben gebrauchst, wie kitschig du es auf Teller und Laken und Autobusse fallen läßt), es quält mich deine Liebe, die mir nicht als Brücke dient, weil eine Brücke nicht von einer Seite allein gehalten wird, nie würden Wright oder Corbusier eine Brücke bauen, die nur von einer Seite gehalten wird, und schau mich nicht mit diesen Vogelaugen an, für dich ist der Vorgang der Liebe so einfach, du wirst eher als ich davon genesen, auch wenn du mich liebst, wie ich dich nicht liebe. Natürlich wirst du genesen, weil du die Gesundheit selber bist, nach mir wird irgendein anderer kommen, das ist wie die Unterwäsche, die man wechselt. Wie traurig, dem Zyniker Horacio zuzuhören, der eine Reisepaßliebe will, eine bergbezwingende Liebe, eine Schlüsselliebe, eine Revolverliebe, eine Liebe, die ihm 1000 Argusaugen verleiht, die Ubiquität, das Schweigen, von dem aus Musik möglich wird, die Wurzel, von der aus man eine Sprache zu weben anfangen könnte. Und es ist schade, denn das alles schlummert ein wenig in dir, man brauchte dich nur in ein Glas Wasser zu tauchen wie eine japanische Blume, und bald würden die bunten Blumenblätter hervorsprießen, würden die ruhenden Formen schwellen, die Schönheit wachsen. Spenderin von Unendlichem, ich versteh mich nicht aufs Nehmen, verzeih mir. Du reichst mir einen Apfel, und ich hab meine Zähne auf dem Nachttisch gelassen. Stop nun, es reicht. Ich kann auch grob werden, denk mal. Aber denk es dir gut, es geschieht nicht ohne Grund.

Warum stop? Aus Angst, in fabrikmäßiges Herstellen zu verfallen, es ist so einfach. Du nimmst eine Idee von diesem, ein Gefühl von jenem Regal, bindest sie mit Hilfe der Wörter, dieser schwarzen Hündinnen, aneinander, und siehe, ich liebe dich. Teilsumme: ich begehre dich. Endsumme: ich liebe dich. So leben viele meiner Freunde, von einem Onkel und zwei Neffen ganz abgesehen, überzeugt von der Liebe, die-sie-für-ihre-Ehefrauen-empfinden. Vom Wort zur Tat: im allgemeinen gibt es ja keine r es ohne verba. Was viele Leute Liebe nennen, ist nichts weiter, als daß sie eine Frau wählen und sich mit ihr verheiraten.   - (ray)

Liebeserklärung (7)  Schon mit den ersten Worten, die er an sie richtete, wollte er sie darauf aufmerksam machen, daß er nicht die Absicht habe, das Risiko einer ernstlichen Liebesbeziehung einzugehen. Er sagte ihr also ungefähr folgendes: »Ich liebe dich sehr und ich möchte, daß wir in deinem Interesse beide sehr vorsichtig sind.« Das klang so vernünftig, daß es schwer war zu glauben, es sei aus Nächstenliebe gesagt worden. Etwas aufrichtiger hätte es lauten müssen: »Du gefällst mir sehr, aber mehr als ein Spielzeug wirst du in meinem Leben nicht sein können. Ich habe andere Verpflichtungen: meine Karriere, meine Familie.«  

Seine Familie? Eine einzige Schwester, die weder physisch noch moralisch störte. Sie war klein, blaß, um ein paar Jahre jünger als er, wirkte aber ihrem Wesen nach älter. Vielleicht war es auch ihr Los, als die Ältere zu erscheinen. Von den beiden war er der Egoist, der Junge. Sie lebte ganz für ihn, selbstvergessen wie eine Mutter. Das hinderte ihn nicht, wenn er von ihr sprach, zu erklären, er sei durch die schwere Verantwortung für ein zweites Menschenschicksal belastet und gebunden. - Italo Svevo, Ein Mann wird älter. Frankfurt am Main  1982 (BS 301, zuerst 1898)

Liebeserklärung (8)  

- B. Kliban

 

Liebe Beschwatzen

 

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