iebesdienst Es
ist ein Irrtum, wenn man glaubt, daß das Hängen in England so schnell von Statten
gehe. Die Zubereitungen dauerten fast eine Viertelstunde. Ich ärgere mich noch
heute, wenn ich daran denke mit welcher Langsamkeit dem armen Menschen die Schlinge
um den Hals gelegt und die weiße Nachtmütze über di« Augen gezogen wurde. Neben
ihm standen seine Freunde, vielleicht die Genossen der Schule, wozu er gehörte,
und harrten des Augenblicks, wo sie ihm den Liebesdienst erweisen konnten: dieser
Liebesdienst besteht darin, daß sie den gehenkten Freund; um seine zuckende
Todesqual abzukürzen, so stark als möglich an den Beinen ziehen.
- Heinrich Heine, Der Schwabenspiegel
Liebesdienst (2) Zwei Wespen waren unvorsichtig in den Honigtopf geflogen und dort umgekommen; sie rührten sich nicht mehr, als ich sie herausfischte und auf den Tisch legte. Im Nu waren einige Helfer zur Stelle, die sich mit ihnen an den Kiefern und den Bauchringen beschäftigten. Bald begann eine der beiden Leichen die Fühler zu regen und dann die Beine, endlich breitete sie die Flügel aus und flog davon. Die andere folgte ihr nach einiger Zeit.
Das Wunder war leicht zu erklären: es war der Honig, der die Gefährten anlockte
und von dem sie die Scheintoten genüßlich säuberten.
Dank ihrer Sorgfalt wurden die Tracheen von der Verstopfung
befreit, und die Erstickten konnten Luft schöpfen.
- Ernst Jünger, Siebzig verweht V. Stuttgart 1997, Notat vom 18. August
1991
Liebesdienst (3)
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