liebe verehrte orchideengrüne primaballeriana |
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artm
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Liebesbrief (2) Tyrannische Dame!
Gestrenge Gebieterin der Henker und Meuchelmörder!
Wisset, daß Euer verteufelter Anschlag, mich von zwei verkleideten Furien (wovon Ihr unfehlbar die dritte seid) mit Strick und Dolch ums Leben bringen zu lassen, durch Schickung des Himmels abermals rückgängig worden und nicht nach Eurem Wunsch abgelaufen ist; denn Merillo lebt noch, ungeachtet ihm der Hals bereits zugeschnürt und alle Gedanken vergangen waren. Ja, er lebt noch, und vielleicht zu Eurem Unglück, wenigstens Spott, Hohn und Verachtung bei der honetten Welt.
Wisset ferner, daß, wo Ihr mir nicht heutigen Tages, vor Untergang der Sonne, sechstausend Taler zu meiner Rekreation und zur Auferziehung Eures zur Welt gebrachten unehelichen Kindes, nächst diesen tausend Talern für vier Personen, welche mir mein Leben errettet und um diese Begebenheit Wissenschaft haben, in mein Quartier hierher sendet, so will ich die in meiner Gewalt habenden Meuchelmörder morgen mit dem allerfrühesten in die Hände der Justiz liefern und, nebst Eingebung einer ordentlichen Specie facti, der kuriösen Welt solche Geheimnisse vor Augen legen, die sich der tausendste Mensch von einer solchen Person, wie Ihr angesehen sein wollt, wohl schwerlich hätte träumen lassen.
Bekomme ich aber das Verlangte ungesäumt, so soll nicht allein alles, was geschehen, unterdrückt und verschwiegen bleiben, sondern es sollen auch die zwei gefangenen Mörder an Euch ausgeliefert werden. Nehmt es als eine besondere Marke meiner ehemaligen Liebe und noch jetzigen Höflichkeit und Gelassenheit an, daß ich mich den Jähzorn nicht verleiten lasse, anders zu verfahren. Überlegt Eure Affären aufs beste, inzwischen wird seine Aventage auch zu überlegen bemüht sein
Merillo.
- J. G. Schnabel
,
Der im Irr=Garten der Liebe herum taumelnde Cavalier (zuerst 1746)
Liebesbrief (3) Ich
bin ganz wohlauf, ich glaube, daß ich es als E.O.R. leichter mit dem Urlaub
haben werde und vielleicht auch, um mal in der Stadt zu übernachten, wenn Du
da bist, meine Lou, die ich mehr liebe als alles in der Welt, meine so schöne
Lou, meine Lou, von der ich erwarte, daß sie meine Macht endgültig anerkennt,
meine Lou, die ich diese Macht in unseren Nächten in Nizza habe spüren lassen,
als Du Dich damit amüsiert hast, mir zu widerstehen, und ich mich so brennend
heiß an Deinem hübschen geliebten Po gerächt habe. Meine Lou, meine Zunge in
alle Falten Deines Körpers; ich nehme Dich ganz und überall auf einmal, auch
da, wo es Dir so Angst macht und Schmerz bereitet.
Mein Mund auf Deinen und mein Blick
in Deinen. - (
apol
)
Liebesbrief (4) Du mußt mir verzeihen, daß ich einen derart feschen Weg gewählt habe, um einen Brief bei Dir ankommen zu lassen, aber es ist mir nicht möglich, irgendeinen sichereren Service zu finden. Als ich sagte, ich könnte nicht sprechen und würde schreiben, meinte ich, daß ich nicht auf Anhieb die richtigen Worte herausbrächte. Ich flehe Dich an. Ich fühlte, daß ich sie nicht hervorbringen, sie mündlich nicht in der notwendigen Reihenfolge ordnen könnte. Ich flehe Dich an. Ich fühlte, daß ein falsches oder unangebrachtes Wort fatal wäre, Du würdest Dich einfach abwenden, wie Du es tatest, und davongehen, wieder, und wieder, und wieder. Ich flehe Dich an um ein Atom [sic! Hrsg.] Verständnis. Aber jetzt glaube ich, daß ich das Risiko des Sprechens, des Stammelns hätte eingehen sollen, denn ich merke jetzt, daß es genauso fürchterlich schwer ist, mein Herz und meine Ehre in Schrift zu fassen - um so mehr, als man beim Sprechen ein Stottern als Schott benutzen oder als zufälliges Verwischen von Worten geltend machen kann, wie ein blutender Hase, dem die eine Seite des Muffels abgeschossen wurde, oder man spult zurück und verbessert sich; aber gegen einen Hintergrund von Schnee, sogar den blauen Schnee dieses Briefpapiers, sind die Schnitzer rot und endgültig. Ich flehe Dich an.
Eins sollte aber festgehalten werden, ein für allemal, unwiderruflich. Ich
liebte, liebe und werde nur Dich lieben. Ich flehe Dich an und liebe Dich mit
immerwährender Pein und Leidenschaft, mein Liebling. Ty tut stojal (Du
warst hier) in dieser karavansaraj. Du in der Mitte von allem, immer,
seit ich sieben oder acht gewesen sein muß, nicht wahr? - Vladimir Nabokov,
Ada oder das Verlangen. Reinbek bei Hamburg 2006 (zuerst 1969)
Liebesbrief (5) Meine einzig
Geliebte, ich denke immer noch an Dich, wie ich Dich gestern vor dem Haus stehen
sehe und der Sonnenschein Dein dunkelbraunes Haar in ein wundervolles Bronze
verwandelt. Geliebte, ich liebe die Farbe Deines Haares. Ich bin so selig, daß
Du keine Blondine bist. Ich hasse Blondinen, sie haben
alle nur Stroh im Gehirn und sind so gemein und hinterlistig. Sie sind auch
so übellaunig. Ich werde einer Blondine nie über den Weg trauen. In meinem ganzen
Leben bin ich keiner Blondine begegnet, die nicht ein glatter Versager ist.
Die meisten sind sowieso nichts weiter als Wasserstoff. Das Geschäft macht sich,
Wurstpreise ziehen an. Ich liebe Dich ewig und immerdar, meine einzige kleine
Babypuppe. - Damon Runyon, Stories vom Broadway. Reinbek bei
Hamburg 1963 (rororo 566, zuerst ca. 1935)
Liebesbrief (6) Lieber Freund, Deinen «Auf See» datierten Brief habe ich. Diesmal hast Du unrecht, und zwar sehr. Vor allem enthält Dein Brief überhaupt nichts Bestimmtes. Deine Frau wird nicht kommen, oder vielleicht in drei Monaten, drei Jahren, was weiß ich? Was das Abkratzen betrifft, da kenne ich Dich. Deine Frau und Deinen Tod erwartend, wirst Du Dich nämlich wie irre aufführen, ziellos herumlaufen, die Leute belästigen. Was, Du, Du hast noch nicht eingesehen, daß der Zornesausbruch auf beiden Seiten gleich fehl am Platz war! Aber Du bist es, der zuletzt im Unrecht blieb, weil Du, sogar nachdem ich Dich zurückgerufen habe, an Deinen falschen Gefühlen festgehalten hast. Glaubst Du, daß Dein Leben angenehmer wäre mit anderen, als ich bin? Denk darüber nach! - Ach! bestimmt nicht! -
Mit mir allein kannst Du frei sein, und weil ich Dir schwöre, in Zukunft sehr freundschaftlich zu sein, weil ich meinen ganzen Teil Unrecht beklage, weil ich endlich klaren Sinn habe, Dich sehr liebe, so begehst Du ein Verbrechen, wenn Du nicht zurückkehren willst oder daß ich wieder zu Dir stoße, und Du wirst das lange Jahr bereuen mit dem Verlust aller Freiheit und vielleicht grausamerer Verödung als alles, was Du bisher erfahren hast. Daraufhin denk an den zurück, der Du warst, bevor Du mich kennenlerntest.
Was mich anlangt, ich gehe nicht zu meiner Mutter zurück. Ich gehe nach Paris, ich werde versuchen, Montag abend abgereist zu sein. Du wirst mich dann gezwungen haben, all Deine Kleider zu verkaufen, anders kann ich nicht handeln. Sie sind noch nicht verkauft; man wird sie mir erst Montag morgen wegholen.
Wenn Du mir Briefe nach Paris schicken willst, so adressiere an L. Forain, 289 rue St. Jacques, für A. Rimbaud. Ich werde ihm meine Anschrift geben.
Ganz bestimmt, wenn Deine Frau zurückkehrt, werde ich Dich nicht kompromittieren, indem ich Dir schreibe, - ich werde nie schreiben.
Das einzig wesentliche Wort ist: komm zurück, ich will mit Dir Zusammensein, ich liebe Dich. Wenn Du das hörst, wirst Du Mut und einen aufrichtigen Sinn erkennen lassen.
Andernfalls beklage ich Dich.
Aber ich liebe Dich, ich umarme Dich und wir werden uns wiedersehen.
Rimbaud
- Rimbaud an Verlaine, nach: Arthur Rimbaud, Briefe
Dokumente. Hg. Curd Ochwadt. Reinbek b. Hamburg 1964 (Rowohlts Klassiker 155/156)
Liebesbrief (6) Mein Heinrich, mein Süßtönender, mein Hyazinthenbeet, mein
Wonnemeer, mein Morgen- und Abendrot, meine Äolsharfe, mein Tau, mein
Friedensbogen, mein Schoßkindchen, mein liebstes Herz, meine Freude im
Leid, meine Wiedergeburt, meine Freiheit, meine Fessel, mein Sabbath, mein
Goldkelch, meine Luft, meine Wärme, mein Gedanke, mein teurer Sünder, mein
Gewünschtes hier und jenseit, mein Augentrost, meine süßeste Sorge, meine
schönste Tugend, mein Stolz, mein Beschützer, mein Gewissen, mein Wald,
meine Herrlichkeit, mein Schwert und Helm, meine Großmut, meine rechte
Hand, mein Paradies, meine Träne, meine Himmelsleiter, mein Johannes, mein
Tasso, mein Ritter, mein Graf Wetter, mein zarter Page, mein Erzdichter,
mein Kristall, mein Lebensquell, meine Rast, meine Trauerweide, mein Herr
Schutz und Schirm, mein Hoffen und Harren, meine Träume, mein liebstes
Sternbild, mein Schmeichelkätzchen, meine sichre Burg, mein Glück, mein
Tod, mein Herzensnarrchen, meine Einsamkeit, mein Schiff, mein schönes
Tal, meine Belohnung, mein Werther, meine Lethe, meine Wiege, mein
Weihrauch und Myrrhen, meine Stimme, mein Richter, mein Heiliger, mein
lieblicher Träumer, meine Sehnsucht, meine Seele, meine Nerven, mein
goldner Spiegel, mein Rubin, meine Syringsflöte, meine Dornenkrone, mein
tausend Wunderwerke, mein Lehrer und mein Schüler, wie über alles Gedachte
und zu Erdenkende lieb ich dich.
Meine Seele sollst du haben.
Henriette
Mein Schatten am Mittag, mein Quell in der Wüste, meine geliebte Mutter,
meine Religion, meine innre Musik, mein armer kranker Heinrich, mein
zartes weißes Lämmchen, meine Himmelspforte. H.
- Henriette Vogel an Heinrich von Kleist, November 1811
Liebesbrief (7) Ersehnte Geliebte,
endlich sollst Du wissen, daß mein Herz auf Dich einschlägt. Und treffen
sich am Morgen unsre Blicke, gIüht was auf und leuchtet, etwas, das funkelt
und schwer ist und tief aber sobald ichs aufschreibe, gerinnt es auf dem Papier
und stinkt und schwitzt und dann zerknüll ichs und hol mir einen runter, ihr
könnt mich alle mal am Arsch lecken, aber wenn Du es tätest, wärs mir am liebsten,
Du hast auch so eine süße Nase, die möcht ich
gern abbeißen im Höhepunkt, das war die größte vorstellbare Herrlichkeit. - Helmut Krausser, Schweine und
Elefanten. Reinbek bei Hamburg 1999
Liebesbrief (8) Aber
... oh, ich klage Dich nicht an: - aber Van, Du bist verantwortlich (oder das
Fatum ist durch Dich verantwortlich, ce qui revient au même] dafür, etwas
Wahnsinniges in mir losgelassen zu haben, als wir noch Kinder waren, ein physisches
Verlangen, einen unstillbaren Juckreiz. Das Feuer, das Du anriebst, hinterließ
sein Brandmal auf der empfindlichsten, lasterhaftesten und zartesten Stelle
meines Körpers. Nun muß ich dafür zahlen, daß Du die rote Reizung zu stark raspeltest,
zu früh, so wie verkohltes Holz fürs Brennen zahlen muß. Wenn ich ohne Deine
Liebkosungen bleibe, verliere ich völlig die Kontrolle über meine Nerven, nichts
existiert mehr als die Ekstase der Reibung, die
anhaltende Wirkung Deines Stichs, Deines köstlichen Gifts. Ich klage Dich nicht
an, aber dies ist der Grund, warum ich Verlangen habe und dem Ansturm fremden
Fleisches nicht widerstehen kann; das ist es, warum unsere gemeinsame Vergangenheit
Wellen grenzenlosen Betrugs ausstrahlt.- (ada)
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