iebende Harux und Harix haben beschlossen, nicht mehr vom Bett aufzustehen; sie lieben sich wie verrückt, und es gelingt ihnen nicht, sich weiter als sechzig, siebzig Zentimeter voneinander zu entfernen. Also können sie genausogut im Bett bleiben, fern von den Verlockungen der Welt. Allerdings gibt es das Telefon auf dem Nachttisch, das manchmal klingelt und ihren Liebesakt unterbricht: Es sind die Verwandten, die anrufen, um zu erfahren, ob alles in Ordnung ist. Aber auch diese Familientelefonate werden immer seltener und kürzer. Die Liebenden stehen nur noch auf, um auf die Toilette zu gehen, und auch das nicht immer; das Bett ist mittlerweile völlig zerwühlt, die Laken zerknittert, aber sie merken es nicht, jeder eingetaucht in die blaue Welle der Augen des anderen, ihre Glieder mystisch miteinander verbunden.
In der ersten Woche ernährten sie sich von Keksen, von denen sie einen reichlichen
Vorrat hatten. Seit die Kekse zu Ende sind, essen sie sich jetzt gegenseitig
auf. - J. Rodolfo Wilcock, Das Stereoskop der Einzelgänger.
Freiburg 1995 (zuerst 1972)
Liebende (2) Die Liebe ist
erstens einmal ein gemeinsames Erlebnis zweier Menschen; die Tatsache jedoch,
daß es ein gemeinsames Erlebnis ist, bedeutet noch nicht, daß es für die beiden
Beteiligten ein ähnliches Erlebnis ist. Es geht immer um den Liebenden und den
Geliebten - doch stammen die beiden aus verschiedenen Landen. Oftmals löst der
Geliebte nur all die aufgespeicherte Liebe aus, die bis dahin so lange im Liebenden
geschlummert hat. Und irgendwie ahnt das auch jeder Liebende. Er fühlt es in
seinem Herzen, daß seine Liebe ihn vereinsamt. Er erlebt eine neue, seltsame
Einsamkeit, und er leidet unter dieser Erfahrung. Es bleibt dem Liebenden
also nur eins zu tun: er muß seine Liebe nach besten Kräften in sich beherbergen;
er muß sich eine vollständige, neue Welt in seinem Innern aufbauen, eine starke
und eigentümliche Welt, die an sich selbst Genüge hat. - (
bal
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