Lichtstrahl  Stefanie saß in der Küche, die sie verdunkelt hatte und hörte das Gas aus dem Küchenherd leise ausströmen, da sah sie plötzlich auf der Wand einen hellen Fleck. Er störte sie, denn er gab ihr das Gefühl, der Raum sei nicht völlig abgedichtet und Gas könne nach draußen strömen. Sie erhob sich von ihrem Küchenstuhl in unmittelbarer Nähe der Gashähne, um die Öffnung zu suchen. Aber sie konnte keine Öffnung finden. Sie überprüfte, ob Fenster, Tür, Speisekammertür und andere Zugänge zum Raum fest verschlossen seien und ob sich auch der Klebestreifen, den sie über die Falze geklebte hatte, nicht gelockert hatte. Dann zuppelte sie erneut an den Gardinen, aber der Lichtstrahl blieb.

In dieser Küche ging der Gastod langsam. Der Herd hatte keinen Gasbackofen, in den sie ihren Kopf hineinstecken konnte. Also mußte sie warten, bis das Gas den Raum hinreichend ausfüllte, um sie zu toten. Der Lichtstrahl ließ ihr keine Ruhe. Er wanderte langsam die Wand entlang. Er ging mit der Sonne und zeigte, wie die Zeit verging. Sie wußte genau, warum das Licht sie beunruhigte, denn es hatte sie gleich erinnert. Es gehörte eigentlich nicht hierher, sondern zu einer Geschichte, die 1938 beginnt. Damals mußte Stefanie mit ihrer Familie ihre gutbürgerliche Wohnung verlassen und nur ein paar Brocken persönlicher Habe durften mitgenommen werden. Ein Parteifunktionär bekam ihre "Wohnung und er bewohnt sie heute noch, mit allem was darin gewesen war; Möbel, Besteck, Geschirr etc. Stefanie und ihre Familie bekamen ein Zimmer mit Küche in einem alten Armeleuteviertel zugewiesen. Das war besser als garnichts und ein paar Jahre ging alles ganz gut, was nicht heißen soll, daß es so in Ordnung war. Dann aber, Anfang der vierziger Jahre, war es so weit. Stefanie, ihre Mutter und auch die Großmutter sollten abgeholt und nach Osten in ein Lager transportiert werden. Ihr Glück war es jedoch, daß sie sich weigerten und nicht freiwillig mitkamen und also abgeholt werden mußten. Denn der SA-Mann, der sie abholen kam, war zufällig ihr Wohnungsnachbar. Er wußte deshalb, daß Stefanies Mutter und Großmutter nicht unerheblichen Schmuck besaßen und war bereit, zu melden, er habe die Familie Orbeck nicht angetroffen und die Wohnung versiegelt. Er verdunkelte alle Fenster, gab Stefanies Mutter Anweisungen, wie sie sich zu verhalten hätten und versiegelte dann die Wohnung, so als seien die Räume nicht bewohnt, während die Frauen und das Mädchen in Wahrheit in der Wohnung blieben.  - (baer)

 

Licht Strahl

 

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