ichterfelde Ost
 

Ich hab' einmal ein Mädel gehabt
in Lichterfelde Ost.
Das war wie Frau Venus selber begabt.
Sie hat mich mit Lust und Liebe gelabt
in Lichterfelde Ost.

Sie hatte das schönste schlankeste Bein
in Lichterfelde Ost.
Und wollt' ich besonders zärtlich sein,
so schlug ich ihr eins in die Fresse hinein
in Lichterfelde Ost.

Da kam ein feiner Kavalier
in Lichterfelde Ost.
Sie wurde sein Glück, sein Stück, sein Tier,
sie sank mit ihm und er mit ihr
in Lichterfelde Ost.

Man brachte sie in das Krankenhaus
in Lichterfelde Ost.
Und als sie nach Monaten kam heraus:
Sie sah wie der Tod von Basel aus
in Lichterfelde Ost.

Jetzt bietet Papierblumen sie feil –
noch knapp in Lichterfelde Ost.
Zuweilen kauf' ich ihr welche ab.
Die leg' ich ihr übers Jahr aufs Grab
in Lichterfelde Ost.

- Klabund

Lichterfelde (2)   An Frühlingsabenden pflegte mein Vater durch den Garten zu gehen und zu sagen: »Guckt euch bloß den Posener an, diesen Glückspilz. Der ist ein gemachter Mann. Da spaziert er in diesem wunderschönen Garten herum, der sein eigener ist, und schaut auf sein herrliches Haus.« Er war dankbar, froh und ein wenig beschämt, daß ausgerechnet er vom Schicksal so begünstigt wurde. Mir ging es genauso, und ich fand, daß ich es von allen kleinen Jungen fraglos am besten getroffen hatte. Ich lebte in Deutschland, dem besten Land, das es gab, in Lichterfelde, dem besten Villenvorort seiner Hauptstadt, im besten Haus mit dem schönsten Garten weit und breit, und hatte die besten Eltern, die man sich denken konnte, und die nettesten Brüder noch dazu. Wenn ich mir das abends vor dem Schlafengehen vorsagte, war ich zufrieden mit der Welt und dem lieben Gott sehr dankbar. - Julius Posener, Heimliche Erinnerungen. In Deutschland 1904 bis 1933. München 2004
 
 

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