icht, schiefes Der Asphalt, die Pflastersteine, die Hausmauern speicherten die Hitze, strahlten sie ab, und selbst ein Lufthauch war keine Erlösung, sondern schlug einem die Hitze ins Gesicht wie ein Keulenschlag, Dazu kam jetzt, in diesem Moment, ein ganz seltsames, unnatürlich erscheinendes Licht, es war knapp vor Sonnenuntergang, aber man sah hier in der Straßenschlucht natürlich nicht die Sonne, man sah nur gelblich rosa Lichtbahnen, die - Brunfaut sah hinauf - den Himmel wie mit einem giftigen Lack überzogen.
Émile Brunfaut war ein poetischer Mensch. Er wusste es nur nicht, weil er
wenig las. Und Poesie überhaupt nicht. Von allen Gedichten, die er seinerzeit
in der Schule gelernt hatte, viele waren es nicht, war ihm nur ein einziges
in Erinnerung geblieben: »Á une Passante«,
weil ihn die Zeile »Un éclair ... puis la nuit! - Fugitive beauté« damals eigentümlich
berührt hatte. Später, als er schon Kommissar
war, hatte er seine Mannschaft, wenn sie im Dunkeln tappte, mit der Paraphrase
aufgemuntert: La nuit ... puis l'eclair! - Le fugitif est visible. Das war,
seiner Meinung nach, die einzige poetische Leistung seines Lebens gewesen. Aber
da unterschätzte er sich. Jetzt war er von diesem Licht schmerzhaft berührt
und er empfand es als Metapher - und das war zweifellos ein poetischer Akt.
Das schiefe Licht. Plötzlich war alles in schiefes Licht getaucht. Das Vertraute
bekam einen giftigen Anstrich, und - er sah auf dem Eckhaus gegenüber das Straßenschild:
»Poissonniers« - es schillerte fischig. - Robert Menasse, Die Hauptstadt.
Berlin 2017
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