eute   Ja, die Leute ... Eugen kam gut mit ihnen aus, während sie ihn, wenn er träumte, quälten. Im Traum begegneten ihm meistens Fremde, und er war wieder Soldat, einer in zerlumpter Uniform, dem ein schmutziges Hemd über den Bund der Breecheshose hing, während er in Wirklichkeit immer korrekt gekleidet ging. Träumend aber schlurfte er in Strümpfen durch verwahrloste Zimmer, wo Kranke in altmodischen Bettstellen lagen, und suchte seine Liegestatt. Ein Uniformierter, der glänzende Schaftstiefel, eine elegante Mütze mit Lackschild und eine gebügelte Jacke trug, schaute höhnisch zu ihm her. Keiner sagte ihm, wo sein Bett stand; aber dann fand er's. Auf dem Nachttisch, dessen Marmorplatte einen Riß hatte, lag seine goldene Uhr, die nur noch eine dünne Schale war, ohne Glas, Zifferblatt und Zeiger. Ihm fiel ein, daß er sie weggegeben hatte, um sie reparieren zu lassen. Und das da war noch von ihr übrig ... Eine magere Frau, der helles Haar an den Wangen niederhing, stand in einem engen schwarzen Kleid vor ihm und sagte: »Die Steine sind herausgenommen worden.« Eugen packte die Blonde und schüttelte sie, doch sah sie ihn nur höhnisch an.  - Hermann Lenz, Ein Fremdling. Frankfurt am Main 1988 (st 1491, zuerst 1983)

Leute (2)

Na, irgendwie

Leute verstehen nicht ein
Begräbnis, Leute sind krude.

Nimm ein paar Leute zusammen
und stell sie fröstelnd um

ein Feuer aus altem Pack
Papier. Leute schlagen ihre

Hände zusammen, Leute denken
an was anderes als an Feuer

: vielleicht denken sie an
Bitte, die Haustür nach 22 Uhr

verschließen, vielleicht an etwas
Abgehacktes, sie denken an ...

Na, dann packen sie den alten Kram
zusammen, der maln Körper

war, falten ihn im Hausflur
zusammen, in der Ecke, einer

hält'n schwarzes Tuch davor,
falls mal jemand in dem Mo

ment ins Haus reinkommt,
bei den Fahrrädern, und dann ab.

- (westw)

Leute (3)   Ich habe über die Gewohnheiten dieser versteckten und der Obsession geweihten Leute wenig erfahren.
Es sind eigentlich keine Leute im wahren Sinn des Wortes, das heißt keine vollständigen Leute, wie wir sie zu sehen gewöhnt sind. Es fehlen ihnen zum Beispiel die gewöhnlichsten und normalsten Organe.

»Aha, hochinteressant«, kommentierte der Präfekt, »diese Individuen bilden sicher eine richtige Nation, die an uns grenzt. Aber wie sehen sie aus?«

Ich glaube, so sagte ich ihm, sie sehen aus wie Blutegel, das heißt Ringe, die der Fortbewegung mächtig sind, wie Würmer, die sich von außen an die Fenster hängen oder von hinten an die Türen, aber sie können in einem fort lachen und bald verworrene, bald klare Sätze von sich geben, je nachdem.

Manchmal scheinen sie weit weg zu sein, und das machen sie absichtlich, damit man nicht schlafen kann, denn sie sagen hastig abgehacktes Zeug, so daß man nicht dazukommt, es richtig zu hören; und so ist man die ganze Nacht gespannt unter der Decke und kann trotzdem nichts verstehen, ohne sich aber die ganze Nacht je geschlagen zu geben. Und diese Art Blutegel saugen sich genau dort fest, wo man mit seinem Denken ankommt, wenn man es vorschiebt, so weit es geht. Und wenn man sich anstrengt, mit seinem Geist noch weiter vorzudringen, dann weichen sie ein wenig zurück, damit sie immer auf der Grenze bleiben und kichern können, so daß der andere nicht einschläft.

Hier hängt es vom Geist eines jeden ab und davon, wie weit dieser Geist vorzudringen vermag: Einer kommt zum Beispiel bis zum Fenster oder zum Hauseingang unten, und dort lassen sich dann die Kerle nieder und fangen an herumzuschreien und dummes Zeug zu sagen, das man eher erraten muß als versteht, so belanglos und schnell ist es. Sie Blutegel zu nennen, ist auf jeden Fall nicht sehr genau, auch weil sie sich ihrer Natur oder ihrer Eigenheit nach nicht sehen lassen. Aber alle, die sie hören, sagen, sie würden sich mit einem Saugnapf oder einer Trompete an ihrem Gedanken festsaugen und man könne sie nicht abschütteln. Und da man in der Nacht immer wach bleibt, um sie zu finden, wird man immer blutarmer und immer schmächtiger und müder, genau wie nach einem Aderlaß.

Wahrscheinlich ist es eine Rasse, die der menschlichen nahe ist, wegen der Stimme; aber vielleicht ist es eine hochentwickelte Form von Anneliden, die mit den geistigen Zweifeln in Symbiose leben.

Man hat auch in Erfahrung gebracht, aber nicht besonders sicher, daß diese lästigen Individuen oder Würmer aus den Gasblasen mancher stehender Gewässer des anderen Landes kommen. Und in gewissem Sinn sind das ihre Städte. - (mond) 

Gesellschaft

 

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