Leuchtfeuer Wahn! Was war denn dieser Geisterleuchtturm, diese Ausgeburt der Nacht! In dem Augenblick nämlich, in dem wir uns alle beide hinausbeugten, um ihn aus 300 Meter Höhe unter unserem Flügel wieder zu Gesicht zu bekommen, geschah es mit entsetzlicher Plötzlichkeit. Ich glaube, ich habe nichts gesagt als: „Ah!" Ich glaube, ich empfand nichts als einen furchtbaren Krach, der unsere Welt in den Grundfesten erschütterte. Wir waren mit 270 Kilometer Stundengeschwindigkeit auf den Boden aufgerannt. Ich glaube, ich erwartete in dem Bruchteil einer Sekunde, der dem Aufprall folgte, weiter nichts als den riesigen Purpurstern der Explosion, die uns beide zermalmen würde.

Erregung empfand keiner von uns beiden. Ich beobachtete bei mir nur eine überscharf gespannte Erwartung und grenzenlose Gewißheit, daß der Leuchtstern kommen mußte, in dem wir uns noch in der gleichen Sekunde auflösen sollten. Aber er kam nicht. Es gab nur ein Erdbeben, das unsere Kabine verheerte, die Fenster herausriß, Bleche hundert Meter weit schleuderte und uns bis ins Tiefste mit seinem Grollen erfüllte. Das Flugzeug zitterte wie ein Messer, das nach schnellem Flug in hartem Holze steckenbleibt. Wir aber wurden durch dieses Ungestüm unerhört scharf abgebremst. Eine Sekunde. Zwei Sekunden.

Noch immer zitterte die Maschine, und ich erwartete mit grauenhafter Ungeduld, daß ihre eigene Wucht sie zersprengte wie eine Granate. Aber die unterirdischen Erschütterungen mündeten nicht in einem Vulkanausbruch. Ich verstand das Geschehen nicht mehr, weder das Zittern, noch das Ungestüm, noch diesen unendlich scheinenden Aufschub. Fünf Sekunden. Sechs Sekunden.

Plötzlich begann sich alles zu drehen, ein neuer Stoß warf unsere Zigaretten zum Fenster hinaus, zerspellte unseren rechten Flügel und — dann kam nichts mehr, nichts als gefrorene Unbeweglichkeit. Ich schrie Prévot zu: „Schnell hinaus!" Und schon hatten wir uns zu dem Fenster hinausgeschwungen, das der Aufprall weggerissen hatte, und standen zwanzig Meter von unserem Flugzeug entfernt.

Ich fragte Prévot: „Alles heil?" Er antwortete: „Alles heil!" Aber er rieb sich das Bein. Ich schrie ihn an: „Bewegen Sie sich doch, fühlen Sie hin und sehen Sie zu, ob Sie dann immer noch sagen können: Alles heil!" Da sagte er: „Es ist nichts. Nur der Feuerlöscher." Ich erwartete immer noch, daß er plötzlich zusammenstürzen könnte, aufgeschlitzt vom Kopf bis zum Nabel. Er aber starrte auf das Flugzeug und sagte: „Nur der Feuerlöscher." Da dachte ich: er ist verrückt; gleich fängt er an zu tanzen.

Prévot aber sah endlich von dem Flugzeug weg, das nun vor Feuersgefahr sicher war, schaute zu mir herüber und begann nochmals: „Es ist nichts. Nur der Feuerlöscher hat mich ans Knie geschlagen."

Daß wir lebten, ging gegen alle Vernunft. Ich verfolgte mit der Taschenlampe die Spuren unseres Flugzeugs auf dem Sand. Schon 250 Meter vor dem endgültigen Stillstand fand ich verbogene Eisenteile und Bleche, mit denen es auf seinem rasenden Rutsch den Sand besät hatte. Bei Tagesanbruch konnten wir dann feststellen, daß wir einen sanften Abhang beinahe oben am Gipfel der wüsten Sandtafel tangential berührt hatten. An der Aufschlagstelle war ein tiefes Loch in den Sand gepflügt. Ohne sich zu überschlagen, hatte das Flugzeug seinen Weg auf dem Bauche gemacht, sich windend und mit dem Schwänze schlagend wie ein grimmiges Reptil. Mit 270 Kilometer Geschwindigkeit war es dahingekrochen. Unser Leben verdankten wir zweifellos den runden schwarzen Steinen, die sich auf dem Sande leicht drehen und so eine Art Rollenbahn gebildet hatten. - Antoine de Saint-Exupéry, Wind, Sand und Sterne. Düsseldorf 1976 (zuerst 1939)

Leuchten

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Leuchtturm