essing   Weniger ist von Lessings Charakter die Rede; von den würdigen männlichen Grundsätzen, von dem großen freien Stil seines Lebens, welches vielleicht die beste praktische Vorlesung über die Bestimmung des Gelehrten sein dürfte; von der dreisten Selbständigkeit, von der derben Festigkeit seines ganzen Wesens, von seinem edeln vornehmen Zynismus, von seiner heiligen Liberalität; von jener biedern Herzlichkeit, die der sonst nicht empfindsame Mann in allem, was Kindespflicht, Brudertreue, Vaterliebe und überhaupt die ersten Bande der Natur und die innigsten Verhältnisse der Gesellschaft betrifft, stets offenbart, und die sich auch hie und da in Werken, welche sonst nur der Verstand gedichtet zu haben scheint, so anziehend und durch ihre Seltenheit selbst rührender äußert; von jenem lügenhaften Haß der halben und der ganzen Lüge, der knechtischen und der herrschsüchtigen Geistesfaulheit; von jener Scheu vor der geringen Verletzung der Rechte und Freiheiten jedes Selbstdenkers; von seiner warmen, tätigen Ehrfurcht vor allem, was er als Mittel zur Erweiterung der Erkenntnis und insofern als Eigentum der Menschheit betrachtete; von seinem reinen Eifer in Bemühungen, von denen er selbst am besten wußte, daß sie nach der gemeinen Ansicht fehlsehlagen und nichts fruchten würden, die aber, in diesem Sinne getan, mehr wert sind wie jeder Zweck; von jener göttlichen Unruhe, die überall und immer nicht bloß wirken, sondern aus Instinkt der Größe handeln muß, und die auf alles, was sie nur berührt, ohne daß sie es weiß und will, zu allem Guten und Schönen so mächtig wirket. - Friedrich Schlegel 1797
 
 

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