esererziehung
Du verstehst es, Begeisterung und innere Kälte zu vereinigen, Bewahrer konzentrierter
Laune; nun, was mich betrifft, so finde ich dich vollkommen... Und du willst
mich nicht verstehen! Wenn deine Gesundheit zu wünschen übrigläßt, folge meinem
Rat (es ist der beste, den ich für dich zur Verfügung habe) und mache einen
Landspaziergang. Traurige Entschädigung, was sagst du dazu? Wenn du Luft geschöpft
hast, suche mich wieder auf: deine Sinne werden ausgeruhter sein. Weine nicht
mehr; ich wollte dir nicht weh tun. Ist es nicht wahr, mein Freund, daß meine
Gesänge bis zu einem gewissen Grade deine Sympathie gewonnen haben? Nun, wer
hindert dich, die übrigen Stufen zu überwinden? Die Grenze zwischen deinem und
meinem Geschmack ist unsichtbar; du wirst sie nie erfassen können: Beweis, daß
diese Grenze selbst nicht existiert. Bedenke also die Möglichkeit (ich streife
die Frage hier nur), daß du ein Bündnis mit dem Starrsinn geschlossen hättest,
diesem liebenswürdigen Sohn des Maultiers, der so reichen Quelle der Intoleranz.
Wüßte ich nicht, daß du kein Dummkopf bist, würde ich dir keinen solchen Vorwurf
machen. Es nützt dir nichts, dich in der knorpeligen Schale eines Axioms zu
verkapseln, das du für unerschütterlich hältst. Es gibt andere Axiome, die auch
unerschütterlich sind und mit dem deinen parallel laufen. Wenn du Süßigkeiten
besonders gern hast (wunderbarer Streich der Natur), so wird das niemand für
ein Verbrechen halten; jene aber, deren Intelligenz, da sie energischer und
größerer Dinge fähig ist, Pfeffer und Arsenik vorzieht, haben gute Gründe so
zu handeln, ohne damit die Absicht zu verbinden, jenen ihre friedliche Herrschaft
aufzuzwingen, die aus Angst vor einer Spitzmaus oder vor dem sprechenden Ausdruck
der Oberflächen eines Kubus zittern. Ich spreche aus Erfahrung, ohne hier die
Rolle des Provokateurs spielen zu wollen. Und wie die Rädertierchen und die
Faultiere eine Hitze ertragen, die dem Siedepunkt nahekommt, ohne unbedingt
ihre Vitalität einzubüßen, so wird es auch dir ergehen, wenn du es verstehst,
vorsichtig die scharfe, eiterfördernde Lymphe zu assimilieren, die sich langsam
aus der Reizbarkeit entwickelt, von meinen interessanten Elukubrationen verursacht.
Was, ist es etwa nicht gelungen, auf den Rücken einer lebenden Ratte den von
dem Körper einer anderen Ratte abgetrennten Schwanz zu pfropfen? Versuche also
in derselben Weise, die mannigfaltigen Modifikationen meiner kadaverähnlichen
Vernunft in deine Phantasie zu übertragen. Aber sei vorsichtig. Zur Stunde,
da ich schreibe, ziehen neue Schauder durch die intellektuelle Atmosphäre: man
muß nur den Mut haben, ihnen offen ins Auge zu blicken. Warum schneidest du
solche Grimassen? Und du begleitest sie gar mit einer Gebärde, die man nur nach
langer Übung imitieren könnte. Sei überzeugt, daß bei allem Routine erforderlich
ist; und da die instinktive Abneigung, die sich von den ersten Seiten an zeigte,
wesentlich an Tiefe verloren hat, umgekehrt zur Aufmerksamkeit bei der Lektüre,
gleich einem Furunkel, das man öffnet, so besteht die Hoffnung, wenn auch der
Kopf noch krank ist, daß deine Heilung sicherlich bald in ihr letztes Stadium
eintreten wird. Für mich besteht kein Zweifel, daß du bereits der völligen Genesung
entgegentreibst; dein Antlitz jedoch ist sehr mager geblieben, leider! Aber...
Mut! in dir steckt ein ungewöhnlicher Geist, ich liebe dich, und gebe die Hoffnung
auf deine totale Erlösung nicht auf, vorausgesetzt daß du einige heilsame Substanzen
einnimmst, die das Verschwinden der letzten Krankheitssymptome nur beschleunigen
können. Als heilende, stärkende Nahrung wirst du deiner Mutter (wenn sie noch
existiert) zuerst die Arme ausreißen, sie in kleine Stücke schneiden und sie
dann an einem einzigen Tag essen, ohne daß dein Antlitz die geringste Spur deiner
Erregung verriete. Sollte deine Mutter schon zu alt sein, dann wähle ein anderes
jüngeres und frischeres chirurgisches Objekt, das von der Knochensäge erfaßt
werden kann und dessen Sprungbeine beim Gehen leicht eine Stütze zum Schaukeln
bilden: deine Schwester zum Beispiel. Ich kann nicht umhin, ihr Schicksal zu
beklagen und ich gehöre nicht zu jenen, deren sehr kalte Begeisterung Güte nur
vortäuscht. Du und ich werden für diese geliebte Jungfrau (ob sie wirklich Jungfrau
ist, kann ich indes nicht beweisen) zwei nicht zurückzuhaltende Tränen, zwei
bleierne Tränen, vergießen. Das ist alles. Das beste Linderungsmittel, zu dem
ich dir rate, ist ein Becken voll klumpigen Gonorrhöeeiters, in dem man vorher
eine haarige Eier Stockgeschwulst, einen follikularen Schanker, eine entzündete,
durch Paraphimose hinter die Eichel gestülpte Vorhaut und drei rote Nacktschnecken
aufgelöst hat. Wenn du meine Verordnung befolgst, wird dich meine Dichtkunst
mit offenen Armen empfangen, wie wenn eine Laus mit ihren Küssen die Wurzel
eines Haares herausschneidet. -
(mal)
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