eopard, vollgefressener  » ›Leider scheint kein Stuhl frei zu sein, auf dem Sie Platz nehmen könnten‹, sagte ich kalt. ›Und die Veranda ist mit Ziegen angefüllt.‹

›Auch in meinem Schlafzimmer befindet «ich eine Ziege‹, bemerkte der Bischof hämisch und vorwurfsvoll zugleich, wenn auch mit derselben Kälte in der Stimme.

›Wirklich?‹ sagte ich. ›Also noch ein Überlebender! Ich dachte schon, die übrigen Ziegen wären alle umgekommen‹.

›Auch die oben befindliche Ziege ist umgekommen‹, sagte er.  ›Gegenwärtig wird sie gerade von einem Leoparden verschlungen. Das ist auch der Grund, daß ich mein Zimmer verlassen habe; es gibt nun einmal Tiere, die es nicht mögen, wenn man ihnen beim Essen zuschaut‹.

Für die Anwesenheit des Leoparden fand sich natürlich leicht eine Erklärung: Als das Wasser kam, hatte er in der Nähe des Ziegenstalls herumgelungert und war dann die Treppe hochgeklettert, die draußen zum Badezimmer des Bischofs hochführte; klugerweise hatte er dabei eine Ziege mitgenommen. Wahrscheinlich hatte der Leopard festgestellt, daß das Badezimmer zu feucht und für seinen Geschmack auch zu eng war, und so war er dann — während der Bischof sein Schläfchen hielt — in das Schlafzimmer gegangen, um dort zu speisen.«

»Eine fürchterliche Situation!« rief Annabel. »Wenn man sich das vorstellt: im Hause selbst ein reißender Leopard, und draußen alles unter Wasser!«

»Reißend war er überhaupt nicht«, sagte Matilda. »Er hatte sich den Bauch mit Ziegenfleisch vollgeschlagen, hatte genügend Wasser zur Verfügung, falls er Durst bekam, und aller Wahrscheinlichkeit nach hatte er in diesem Moment nur den Wunsch, ungestört schlafen zu können. Trotzdem wird wohl jeder zugeben müssen, daß es für mich eine äußerst mißliche Situation war: das einzige verfügbare Gästezimmer von einem Leoparden besetzt, die Veranda mit Ziegen, kleinen Kindern und nassen Hühnern vollgestopft, und dazu noch ein Bischof, der sich im einzigen Wohnzimmer niedergelassen hat, obgleich man kaum ein Wort mehr mit ihm wechselt«. - Saki, Die offene Tür. Zürich 1973 (Zeichnungen von Edward Gorey)