Lektüre, lasterhafte  Während er immer noch über die mystische Auslegung des Wortes Esplumeoir nachsann, schlüpften in seine Gedanken gewisse Episoden aus dem früheren Leben seines Zauberers, die unmerklich zu seiner unterirdischen Versuchung führten.

Er erinnerte sich zum Beispiel an jenen Vorfall, als Merlin im Sturmgebraus von den Waldbergen herabgeeilt kam und eine Hirschherde vor sich hertrieb, wobei er selbst auf dem Rücken des hintersten Tiers ritt, dem er dann die eine Hälfte seines prächtigen Geweihs ausriß und diese gefährliche Waffe auf den verwegenen Bandcnführer schleuderte, der dem Zauberer gerade seine Frau raubte.

Die dunkle und blutige Gewalt dieser Szene störte Mr. Evans' Gedankenfluß. Etwas an dieser finsteren Tat, jenes Geweih an den Wurzeln auszureißcn, erinnerte ihn an eine mörderische, höchst gefährliche Stelle in der «Sünde wider den heiligen Geist«. Die böse Flut hatte ihn nun wirklich vollständig gepackt. Mit zitternden Knien stellte er seine Kerze ab - denn in den Keller drang wenig Tageslicht -, zog das Buch von seinem Platz neben St. Augustinus heraus und fing an, fieberhaft darin zu blättern, bis er jene abscheuliche und fürchterliche Stelle gefunden hatte.

Als er sich an dieser schrecklichen Szene weidete, bebten seine Hände so stark, und seine Knie schlotterten so heftig, daß jeder, der ihn erblickt hätte, annehmen mußte, er wäre dem Veitstanz zum Opfer gefallen. Die Knochen des Mannes schienen in ihm zu zerschmelzen, als er immer weiter las, von einem Absatz zum nächsten flog, und von da wieder weiter, bis ihm jeglicher Sinn für Zeit oder Ort abhanden gekommen war. Die langen Wintermonate, die er so glücklich mit Cordelia verlebt hatte, fielen von ihm ab wie ein Filmbild, das über eine künstliche Leinwand flimmert.

Nichts auf der Welt schien mehr von Belang, nichts auf der Welt schien mehr von der geringsten Bedeutung, verglichen mit der überwältigenden Manie, die wieder von ihm Besitz ergriffen hatte. Sie fiel ihn mit umso unwiderstehlicherer Macht an, weil er sie so lange unterdrückt hatte. Ware jemand dort unten gewesen und hätte sein Gesicht beobachtet, hätte er gesehen, wie er sich so heftig auf die Unterlippe biß - er zog sie eigentlich in den Mund und biß zugleich darauf -, daß sein ganzes Gesicht verwandelt war. Seine Nasenflügel bebten, öffneten und schlössen sich wie die eines wilden Hengstes, und seine Augen brannten mit einem so wahnwitzigen Licht, daß es leicht vorstellbar war, sie würden sogar das Papier, auf das diese gräßlichen Dinge geschrieben waren, verglimmen und zusammenschmoren lassen wie in eine verzehrende Flamme gehaltene Blätter.

So schrecklich und vollständig war der Mann in sein rasendes Laster versunken, daß es für ihn gerade nur wie das Surren einer Motte gegen die Wand war, als die Tür oben an der Treppe aufging und die Stimme von Nummer Zwei ihm zurief, er solle in den Laden heraufkommen. Doch es kam ein Augenblick - denn selbst in der äußersten Anspannung einer zerebralen Erregung, die zu einem solchen Höhepunkt getrieben wurde, gewahrt ein menschliches Wesen jenen rufenden Horizont, den wir die Zukunft nennen, diese winkenden, schwankenden Kreuzungen, diese Brücken - des Ungemachs, Pomparles-Brücke, Aalbrücke, Schwertbrückc, Wasscrbrückc, die einen spüren lassen, daß verruchte Gedanken nicht genug sind -, es kam ein Augenblick, in dem Mr. Evans sich entschieden hatte, etwas zu tun; denn seine bildliche Vorstellung war so konkret und faßbar wie jene aller-schlimmsten Schreckenssilhouctten, die von Dantes rationalisierter Raserei in den heiligen Exzeß sadistischer Befriedigung eingraviert worden waren.

Er klappte das Buch zu, wobei er die Seite, die ihn so überwältigt hatte, so zart auf die benachbarte fallen ließ, wie jemand eine Wunde mit der eigenen aufgerissenen Haut bedeckt.

Er erhob sich zu voller Größe und ergriff die Kerze. Seine Knie hörten zu schlottern auf, sein Puls hörte auf, wild zu pochen, die Schweißperlen auf seiner Stirn begannen zu trocknen. Es war jene merkwürdige Phase im unglückseligen Fortgang der Versuchung, wenn das irre Verlangen herab- und einsinkt, und die praktische Entscheidung, was wir tun werden, sich in allen Adern und Fibern verhärtet und kristallisiert.

Es gibt dann keine lokalisierbare sinnliche Erregung mehr im Wesen dieses Individuums. Alles ist fein verteilt, alles hat sich in Körper, Seele und Geist ausgebreitet. Der Mensch will nicht nur mit seinem erhitzten Geschlechtsnerv diese abscheuliche Sache tun, er will sie mit seinem ganzen Naturell tun. Der Geschlechtsnerv ist immer noch die wahre Ursache. Doch jener Nerv des vorgestellten Bösen, jetzt so ruhig eingeringelt- nur sein radiumstrah-lendcs kleines Auge von gletscherblaucr Tönung, durchkreuzt von flackernden roten Blitzlinien, bleibt wach, nur seine gespaltene Zunge zittert wie eine Kompaßnadel -, hat seine dynamische Energie auf den ganzen Organismus verteilt, hat den ganzen Organismus zu seinem gehorsamen Sklaven umgewandelt, so daß seine unmittelbare Wirkungskraft im Verborgenen lauern kann.

Und die gefährlichste Seite dieser fein verteilten Energie, die nun das ganze Wesen des Menschen füllt, so daß der Verstand davon befallen, seine Seele davon befallen und sein Geist davon befallen sind, ist ihre mörderische Verschlagenheit.   - (cowp)

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