ektor
Sonnabend, 11. Juli 1925 Gestern abend bis viertel zwölf an
Morgenstern. Da war ich ermüdet. Es ist alles doch sehr dünnblütig, wenn
auch edel. Das Fehlen der nachhaltigen Kraft ein großer Mangel. Ein Berg von
Fragmenten, sowohl im Lyrischen wie im Gedachten. »Sehr richtig« ist beinahe
der stärkste Grad von Zustimmung, der im Leser lebendig
wird. So auch heute, da ich im letzten Bande Stufen lese, wer ein Schriftsteller
sei, solle jeden Tag etwas niederschreiben. Das ist allerdings richtig, wenn
auch nicht aus dem einen Grund der Übung nur, sondern aus einem ganzen Bündel
von Gründen, von denen wechselnd immer andere gelten.
- Oskar Loerke, Tagebücher 1903 - 1939. Frankfurt am Main 1986 (st 1242)
Lektor
(2) Zu Kynopolis in Ägypten wurde unter dem Kaiser Konstantius
der Lektor Dioscoros ergriffen. Da er seinen Glauben standhaft verteidigte,
ließ ihn der Kichter aufs grausamste quälen. Zuerst riß man ihm die Nägel an
Fingern und Zehen bis auf die Wurzel aus. Dann brannte an ihm die Hüften mit
Fackeln, doch diese Folter wurde durch ein Unwetter unterbrochen, während dessen
Blitze in die Schar der Schergen einschlugen. Zuletzt wurde der Heilige mit
glühenden Platten zu Tode traktiert. - Albert Christian Sellner, Immerwährender
Heiligenkalender. Frankfurt am Main 1993
Lektor (3)
Lektor
(4) Monguzzi haßte Tonbandgeräte. Es waren schändliche
Maschinen, denen nun eine neue Unterart dilettierender Autoren zu verdanken
war, wie Volksschullehrerinnen, Gewerkschaftler, Kassiererinnen, Krankenpfleger,
Fürsorgerinnen oder Reiseleiter, die ihr Geschwätz und das der andern auf Band
aufnahmen, um es dann den Verlegern als interessante Dokumente des Lebens vorzulegen.
Da hatte einmal ein Zahnarzt aus Venedig dem Verlag die Tonbänder gebracht,
auf denen er das Gezänk mit seiner Frau aufgenommen hatte. Faules, stumpfsinniges
Volk, das man mit einer dieser Peitschen, die bei dem Seiler hingen, aus dem
Hause jagen sollte. »Da ist es. Das meiste ist schon getan. Es liegt in dieser
Kassette«, schienen die Blicke zu sagen, schlau und eitel. - Fruttero
& Lucentini, Wie weit ist die Nacht. München 1989
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