Leistungsvergleich    Es ist nicht unsre Aufgabe, hier jene Aproportionalität zwischen Leistung von Insekt und Mensch bis auf irgendeine extreme Spielerei zu treiben, weil wir noch nicht zu sagen vermögen, welche Dimensionen vergleichbar sind.

Immerhin darf man sagen, daß eine Biene täglich viele Male eine Strecke fliegt (und gewiß mehr als hundert Male), die für den Menschen jedes Mal vergleichsweise 200 Kilometer ausmachen würde. Bei ihr ist eine Proportion zwischen biologischem Wert der Nahrung und Leistung erreicht, von welcher beim Menschen noch keine Andeutung vorhanden ist, während er sich über die volle Nutzung andrer, rein mechanischer Werte dauernd den Kopf zerbricht, und hier vergeblich, weil ja alle von ihm nicht umgesetzten Werte erhalten bleiben und in irgendwelchen Formen wieder in Umlauf kommen werden, also nur relativ verlorengehen.

Es ist nicht ausdenkbar, welche Erscheinung der Mensch wird, wenn er einmal darauf eingestellt sein wird, die wertvollsten Stoffe, welche ihm die Natur bietet, optimal umzusetzen. Bisher lebt der Mensch von Minderwertigem, verarbeitet es minderwertig und ist ein biologisch minderwertiges Wesen, das gewiß Anlagen zur Weiterentwicklung zeigt, diese jedoch nur gelegentlich und kurzfristig in seiner Vorstellung erfaßt, nicht aber verwirklicht.

Es kann aber gar nicht die Rede davon sein, daß heute in den intellektuellen Fähigkeiten des Menschen ein Ersatz des physisch-potentiell Entgangenen geboten wird. Es ist noch kein Wolkenkratzer gebaut, der nicht proportional von Termiten überholt war, und zwar ohne jede maschinelle Technik, und gerade bei Bauten, also Leistungen in der Bewältigung des Materials, dürfen wir doch wohl die einfachen Größendimensionen des Insektes und seiner Bauten mit den Leistungen des Menschen vergleichen. Aber auch psychisch gibt es kaum irgendwie beträchtliche Züge, die der Mensch aufweist und die nicht längst in der Insektenwelt entwickelt waren. Die Verachtung oder lSichtächtung"~Hieser Welt kann uns nicht davon freimachen, daß wir in jeder Hinsicht Dagewesenes sind. Und unsre instinktiven Kämpfe mit andren Völkern, unsre Arten der Kriegführung, der Gesamtsinn unsrer Unternehmungen - das alles ist nicht um die geringste Spur weiter gedacht als bei irgendeinem Insektenvolk. Im Gegenteil, wenn etwas unsre Geschichte ungeheuer belastet, so wird es die Tatsache sein, daß wir von der Natur »Ameise« so viel in uns aufgenommen haben, daß sogar hier der Kampf einsetzen muß, uns aus diesem Gehorsam gegen einen Weg der Natur zu befreien. Das aber ist auch nicht als eine zufällige Erscheinung zu werten, sondern von allen vorhandenen Insekten haben die Ameisen unsren ganzen Boden am tiefsten und intensivsten durchwirkt und, wie man sagen könnte, geradezu durchseucht. Mögen diese Tiere ihre Mentalität und ihre Stufe aus Nahrung entnommen haben, wie sie wollen, so sind sie doch die uns biologisch regierende Dominante, wenn wir auch ihre Leistungsfähigkeiten bei weitem nicht erreichen. Die Ameise ist die lebensintensivste Stufe, in welche aller Boden, auf dem wir leben, verwandelt ist, und so stehen wir zwischen Herdentier und  Ameisenstaat.   - Ernst Fuhrmann, Was die Erde will. Eine Biosophie. München 1986 (zuerst 1930)

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