Leiden, altes  Die Geschichte des Mezzogiorno ist voller Verfehlungen bourbonischer Verwaltung, und keine Geschichte hat es je vermocht, diese ungeheure Plage zu besiegen. Von einigen Ausnahmen abgesehen - die umso ehrenwerter sind, desto seltener sie sind ~, kann man in aller Wahrhaftigkeit sagen, daß im Süden jeder Zweig der öffentlichen  Verwaltung von der übelsten Korruption befallen ist.

Die Kriminalgerichtsbarkeit dient lediglich der Rache des Fürsten. Die zivile Gerichtsbarkeit ist zwar weniger korrupt, aber ebenfalls ganz von der Willkür der Regierung abhängig. Keine Freiheit, weder privat, noch für die Rathäuser. Die Gefängnisse und Strafkolonien sind voll von ehrenwerten Bürgern, die ihr Leben zusammen mit den übelsten Verbrechern fristen müssen.

Beamte gibt es zehn Mal soviele, wie benötigt werden. Die hohen Beamten werden weit über ihrem Wert bezahlt, die Gehälter der niedrigeren Beamten sind völlig unzureichend. Korruption und Eigennutz bleiben unbestraft. Mißbrauch der Pensionen. Kaum geborene Knaben werden zu Beamten ernannt, so daß ihre Dienstjahre von der frühesten Jugend an zu zählen beginnen.

Keinerlei Volksschulen. Nur wenige, unzureichende Mittelschulen. Universitätsunterricht wenig und schlecht. Noch stärker vernachlässigt die weibliche Ausbildung. Deshalb äußerste Dummheit der niederen Klassen. Kaum Kommunikationsmittel. Die Straßen bedroht, ebenso das Eigentum und das Leben der Bürger. Die Provinzen vernachlässigt. Wenig Handel trotz der großen Resourcen des unerhört reichen Landes. Nur sehr wenig Industrie. Deshalb außer der Dummheit auch noch Elend und Hunger. Die Verwaltungsaufgaben übertreffen bei weitem jede Kalkulation.

Die Wohltätigkeitseinrichtungen haben große Mittel zur Verfügung, sind jedoch arm wegen der übergroßen Zahl an Beamten, Geschäftsführern und Advokaten. Die generelle Regel ist, daß ihre Gehälter drei Viertel der Verwaltungskosten beanspruchen, während nur ein Viertel für die eigentlichen Aufgaben zur Verfügung steht.

In den Gefängnissen, in der Armee, in der Bürokratie und in allen öffentlichen Einrichtungen herrscht größtenteils die »Camorra«, in den Provinzen herrschen die Briganten, das Ganoventum gibt es überall. Die Polizei ist unfähig, arrogant, kriminell und verfügt willkürlich über die Freiheit und den guten Ruf der Bürger.

Öffentliche Aufträge werden vergeben, bezahlt und nicht ausgeführt. Jegliche Macht, jedes Gesetz, jedwede Kontrolle konzentriert sich in der Willkür des Fürsten. Keine Kontrolle über die öffentlichen Mittel. Der Klerus riesig, dumm, mit wenigen Ausnahmen im Bistum Neapel, bar jeder Würde und ohne Sinn für das Priesteramt.

Dunkelster Aberglaube im Volk. Die Bettelei weit verbreitet in allen Klassen, selbst bei den besseren Leuten, nur auf andere Art und Weise. Keine Zeitungen, keine Bücher. Die Armee korrupt, kriegerisch unerfahren und ohne Vertrauen in die eigenen Offiziere.  - Constantino Nigra 1861 nach: Peter O. Chotjewitz / Aldo de Jaco, Die Briganten. Aus dem Leben süditalienischer Rebellen. Berlin 1979

 

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