eichenschleicher   Hie und da erscheint in Lokalen der Leichenschleicher. Man kennt ihn seit Jahren, aber er kommt nicht oft. Hat man ihn ein paar Monate nicht gesehen, so denkt man an ihn mit leichter Besorgnis. Er trägt immer die Tasche einer Luftlinie bei sich, Air France oder BEA. Er scheint sehr viel auf Reisen zu sein, da er oft für so lange verschwindet. Er ist immer auf dieselbe Weise wieder da. Er erscheint und bleibt ernst in der Türe stehen. Er mustert das Lokal nach Bekannten ab. Kaum hat er einen ge-sehen, geht er feierlich auf einen zu, grüßt, steht still, verstummt und sagt dann mit klagender, etwas singender Stimme: »Haben Sie gehört, N. N. ist gestorben.« Man erschrickt, denn man hat es nicht gewußt, und er ist schwarz angezogen, worauf man aber erst nach seiner Nachricht achtet. »Morgen ist das Begräbnis.« Er lädt einen zum Begräbnis ein, er erklärt einem, wo es ist und gibt einem ausführliche und genaue Anweisungen. »Kommen Sie doch«, fügt er hinzu, »Sie werden es nicht bereuen.« Dann setzt er sich hin, bestellt sich etwas zu trinken, trinkt einem zu, gibt ein paar Worte von sich, sagt nie, wo er war, sagt nie, was er vorhat, erhebt sich, geht feierlich zur Tür, dreht sich noch einmal um, sagt: »Morgen um Elf« und verschwindet. So geht er von Lokal zu Lokal und sucht nach Bekannten, die auch die des Verstorbenen sind, sorgt dafür, daß es nicht zu wenige sind, steckt sie mit seinen Begräbnisgelüsten an und lädt sie so nachdrücklich ein, daß manche, die gar nicht daran gedacht hätten, aus Angst vor der nächsten seiner Botschaften, die sie selbst betreffen könnte, kommen. - (can)