ehrmittel Ich hatte mir damals gar kein übles Programm gemacht. Nachdem sich in der unvergleichlichen Schule des Krieges das Leben in seiner höchsten Flutung und in seinen äußersten Möglichkeiten dargeboten hatte, wollte ich in Ruhe seine tierischen Grundlagen, seine einfachen und doch geheimnisvollen Bewegungen kennenlernen und gleichzeitig bei den Philosophen meinen Kursus durchschmarutzen. Zum Schlusse hatte ich an einen Aufenthalt in einer jener entlegensten und unberührten menschlichen Siedlungen inmitten unermeßlicher tropischer Urwälder gedacht, von denen wir bei Frobenius lesen können und in denen sich vielleicht ein Bild von der Seele, wie sie frei von jeder Reflexion in ihrer magischen Landschaft wirksam ist, gewinnen läßt, um dann, wohlausgerüstet, ins Zentrum der großen Städte zurückzukehren, an die Stätten der kompliziertesten Barbarei.
Aber schon auf dem halben Wege hat mir die Inflation, der Götze des Geldes
und seiner Dynamik, einen Streich gespielt, und wenn man zum Kriege A sagt,
so muß man auch B sagen, das heißt, man muß es billig finden, sich zu beschränken,
wenn man einer Nation angehört, die verloren hat. Immerhin ist es schmerzlich,
gerade an den Lehrmitteln sparen zu müssen. -
(ej)
Lehrmittel (2) Waren die Gerüchte
um das Sargholz schon seit Langem bekannt, so
häuften sich kurz vor Schließung der Schule andere
Spekulationen. Das Papier der Schulhefte sei aus Mädchenflachs. Auch hier war
ich mir nicht sicher, ob es sich um Mädchenhaar handelte oder vielleicht doch
um ein Material, das nur so hieß. Die Fäden aber, mit denen die Hefte gebunden
seien, bestünden aus Mäuseschwänzen. Die Kreide werde aus Zahnknochen hergestellt,
die Tafeln seien nicht aus Schiefer, sondern aus Schädelplatten. Das Bohnerwachs,
nach dem die langen Flure rochen, sei parfümiertes Schweineblut und unsere Ranzen
aufgepumpte Hundemägen. Füller waren Hohlknochen und die Tinte, mit denen wir
sie füllten, etwas so Ekelerregendes, dass niemand zu sagen wagte, worum es
sich dabei handelte. Meine Vermutungen und Spekulationen waren dementsprechend
diffus und gelangten nie zu einem nennbaren Ergebnis, da mir nichts einfallen
würde, was grässlich genug war, dieses Gefühl zu rechtfertigen, das nur Ahnung
war. Auch werde unser Schulgebäude nachts für geheime Sitzungen und Treffen
benutzt. Kurzum, wir fühlten uns, bevor wir tatsächlich entlassen wurden, nur
noch wie Gäste in einer von Todessymbolen bestimmten und vom Tod gezeichneten
Umgebung. - (raf)
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