ehrerin
Ich liebe alles an der Straße: ihr Theater, ihre Restaurants,
ihre Bistros (vor dem Krieg gab es eins, das Zu den Gangstern hieß),
ihre Geschäfte und ihre guterzogenen Huren, die dich mit „Guten Tag, Monsieur"
ansprechen. Ah! Die Huren in der Rue de Mogador! Eben war von der „Einbeinigen
von den Boulevards" die Rede. Eine weitere Pariser Sehenswürdigkeit ist
die „Lehrerin aus der Rue de Mogador". Sieht wie 'ne pensionierte Lehrerin
aus. Lehrerin oder Frau vom Wohltätigkeitsverein, sie hat von beiden was an
sich. Graue Haare, Brille, unauffälliges Täschchen, strenge Kleidung... und
dann ihr Alter. Alles in allem wirkt sie wie 'ne Kleinbürgerin, 'ne Lieblingsoma
oder was es sonst noch so gibt. Wahrscheinlich hat sie sich auf Kunden mit Ödipuskomplex
spezialisiert. Erst als ich sie zu einer anderen, über deren Gewerbe kein Zweifel
bestand, sagen hörte: „Heute steht man sich die Beine in den Bauch!", hab
ich kapiert, daß sie auch dazugehört. Vorher dachte ich, sie würde auf den Bus
warten. -
Léo Malet, Streß um Strapse. Reinbek bei Hamburg 1991
Lehrerin
(2) Ohne hinzusehen, wußte Miss Gildea, daß
der Haufen anklagender Gesichter auf sie gerichtet war, und sie fühlte
ihren Triumph sich in hilflose Bestürzung verwandeln. Es war, als ob Robert
mit seinen verweinten Augen und dem blassen Gesicht mit den zu großen Ohren,
als ob dieser Robert sich in ein seltsames, glibberiges
Wesen verwandelt habe, das sich nicht fassen ließ und nirgendwo festzuhalten
war. Es war, als ob er sich weiter und immer weiter zurückzöge, einen dunklen
gewundenen Pfad entlang, und als ob er sie zwinge, ihm zu folgen. Sie mußte
sich befreien, so dachte sie verzweifelt, mußte sich von diesem Zwang befreien,
ehe sie etwas Schreckliches tat, irgend etwas Unverzeihliches. -
Stanley Ellin, Robert. In: St.E,: Der Acht-Stunden-Mann.
Bern u. München 1986
Lehrerin (3)
Lehrerin (4)
- Milo Manara
Lehrerin (5) Er war der einzige Gehilfe, der auf dem Friedhof hauste; es war seine Pflicht, jeden Abend vor dem Schlafengehn noch einen letzten Rundgang zu machen. Auch: in die Kapelle zu sehn.
Er ging in die Kapelle. Er trat nahe heran an den Sarg, schaute die toten Frauen an. Er schob die Blumen zurecht, glättete irgendeine Falte des Hemdes.
Und langsam, unendlich langsam, in langen Nächten, lernte er, wie ein halbwüchsiger Knabe, die Zärtlichkeit der Liebe. Lernte von stillen Lehrerinnen. Stillen, sanften, sehr gütigen.
Aus dem rauhen Tappen seiner harten Hände wurde ein zartes Streicheln; von seinen Lippen kamen, unbewußt, zärtliche Laute. Manchmal sogar ein Wort.
Er berührte liebkosend diese bleichen Wangen, die Stirne, auch die Hände.
Aber nie hob er die Augenlider.
Ganz von selbst kam das alles. Nie nahm er sich vor, dies zu tun oder jenes: Er tat es - und es kam ihm erst zum Bewußtsein, wenn es geschehen war.
Seine Hand streichelte den Hals und den Nacken. Seine Finger schoben zitternd das Leilach zurück, tasteten furchtsam über die quellenden Brüste -
Dann, einmal, bog sich sein Kopf herab. Und sein Mund küßte -
Er wußte nicht, was das war, was er zum ersten Mal küßte. Die Schulter vielleicht - oder die Wange - oder -
Das wußte er nicht. Es war ein sehr Großes in seinem Leben - aber er wußte nicht, was es war.
Stephe schnitt Blumen im Friedhofe und brachte sie zur Nacht der Geliebten.
Er schob die andern zur Seite und gab ihnen seine Blumen in die Hand - -
Hanns Heinz Ewers, Der schlimmste Verrat. In: H. H. E., Der letzte Wille der
Stanislawa d'Asp. Frankfurt am Main und Berlin
1991
Lehrerin
(6)
Beinahe fieberhafte Aktivität entfaltet sie [Charlotte]
nach dem Tee, wenn sie zusammengefaltete Papierbögen in ihrer winzigen
Schrift ohne Punkt und Komma mit ihren Geschichten bedeckt: 19000 Worte allein
für »Das Geheimnis« und »Lily Hart«, die sie in wenigen Tagen herunterskribbelt.
Oft schließt sie dabei die Augen, um die Bilder, die aus ihrem Unterbewußtsein
aufsteigen, von der Außenwelt abzuschirmen. Als sie mit 19 Jahren nach Roe Head
geht, um dort zu unterrichten, umstehen die jungen Mädchen staunend die ungnädige
Lehrerin (»Kälber!«}, die ihre Anwesenheit ignoriert und mit geschlossenen Augen
vor sich hinschreibt. -
Vorwort zu
(bronte)
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