ehrer  Längst sind die Menschen untereinander so divergent geworden, daß sie sich fernstehen wie nur irgendwelche Wesen der Erde. Der Mensch, der sich entwickeln will, kann kaum anders als vom Menschen essen. Dieses Essen vom Menschen bedeutet: ihn so in sich aufnehmen, wie er ist, in diesem So-Sein das Äußerste zu finden, was ein Leben enthielt. Das ist nicht mehr als die einfach-ehrliche Beziehung, wie sie zwischen Schüler und Lehrer besteht, denn der Lehrer ist das, was gegessen werden muß. In jedem Augenblick, in dem er wahrnehmbar wird, ist er schon Gewesenes und kein Unrecht daher, hiervon zu essen. - Ernst Fuhrmann, Was die Erde will. Eine Biosophie. München 1986 (Matthes & Seitz, debatte 9, zuerst 1930)

Lehrer (2)  Mein Lehrer ist ein enttäuschter Mann. Die Dinge, an denen er Anteil nahm, sind nicht so gegangen, wie er es sich vorgestellt hatte. Jetzt beschuldigt er nicht seine Vorstellungen, sondern die Dinge, die anders gegangen sind. Allerdings ist er sehr mißtrauisch geworden. Mit scharfem Auge sieht er überall die Keime zukünftiger enttäuschender Entwicklungen.

Er glaubt fest an das Neue. So liebt er die Jugend, die für mich nur unfertig ist. Aber er sieht sie noch voll Möglichkeiten. So glaubt er auch an das Proletariat. Manchmal scheint es mir, daß er sich verpflichtet fühlte, mehr zu tun, wenn er weniger daran glaubte.

Mein Lehrer dient der Sache der Freiheit. Er hat sich selber ziemlich frei gemacht von allerlei unangenehmen Aufgaben. Manchmal scheint es mir daher, daß er, bestünde er weniger auf seiner eigenen Freiheit, mehr für die Sache der Freiheit tun könnte.

Seine Hilfe bei meinen Arbeiten ist unschätzbar. Er entdeckt alle Schwächen. Und er macht sogleich Vorschläge. Er weiß viel. Ihm zuzuhören ist schwierig. Seine Sätze sind sehr lang. So bringt er mir Geduld bei.

Er hat viele Pläne, die er selten ausführt. Ein heftiger Wunsch, Vollkommenes zu geben, hält ihn vom Geben meist ab. Er liebt es nicht, mitzuteilen, wie er auf seine oft überraschenden Schlüsse kommt. Es mag sein, daß er es selbst nicht weiß, es kann aber auch sein, daß er damit dem alteingewurzelten Laster aller Lehrer huldigt, sich selber unentbehrlich zu machen.

Er ist sehr für den Kampf, aber er selber kämpft eigentlich nicht. Er sagt, es sei nicht die Zeit dazu. Er ist für die Revolution, aber er selber entwickelt eigentlich mehr das, was entsteht.

Er kommt schwer zu Entschlüssen in Dingen seiner persönlichen Existenz. Stets behält er sich die größtmögliche Freiheit vor. Wenn etwas dadurch verlorengeht, selbst Wichtiges, ist er nicht traurig.

Ich glaube, er ist furchtlos. Was er aber fürchtet, ist das Verwickeltwerden in Bewegungen, die auf Schwierigkeiten stoßen. Er hält ein wenig zu viel auf seine Integrität, glaube ich.

Auch beim Proletariat wäre er wohl nur ein Gast. Man weiß nicht, wann er abreist. Seine Koffer stehen immer gepackt. Mein Lehrer ist sehr ungeduldig. Er will alles oder nichts. Oft denke ich: Auf diese Forderung antwortet die Welt gerne mit: nichts. - (bre)

Lehrer (3)

Lehrer
 

IVAN TURGENEV: Alter Lehrer für französische Literatur an einem Provinz-Collège. Sehr langweilig, sehr einschläfernd und verschlafen, dumm und borniert. Junggeselle und schwatzhaft bis zum Umfallen.

PAULINE VIARDOT: Schulmeister an einer wohltätigen Einrichtung. Bigott. Duckmäuserisch. Schmutzig.

- (turg)

Lehrer (4)


 

IVAN TURGENEV: Vor allem aufgeblasen, Lehrer, hart, pedantisch, ziemlich gebildet, sicher, muß eine häßliche Leidenschaft verbergen, finster, exakt, schreibt gleichmäßig und trocken, Ton des Pädagogen, ist leicht beleidigt und verzeiht nie.

PAULINE VIARDOT: Croupier — übles Subjekt — spielt auch auf eigene Rechnung — ermangelt nicht einer gewissen Intelligenz, innerlich beschämt und irritiert, nichts aus ihr gemacht zu haben. Braucht Emotionen, kennt aber nur schlechte, beschließt sein Leben im Gefängnis.

 

- (turg)

Lehrer (5)  Unsere dritter Privatlehrer war ein großer, beängstigend athletischer Lette, der auf den Händen laufen, enorme Gewichte heben, mit Hanteln jonglieren und ein großes Zimmer im Handumdrehen mit dem Schweißgeruch einer ganzen Garnison erfüllen konnte. Wenn er es für angebracht hielt, mich für irgendein geringfügiges Vergehen zu strafen (ich erinnere mich zum Beispiel, daß ich von einem oberen Treppenabsatz eine Murmel auf seinen anziehenden, hart aussehenden Kopf fallen ließ, als er hinunterging), griff er zu der bemerkenswerten pädagogischen Maßnahme, mich meine Boxhandschuhe anlegen zu lassen und zu einem kleinen Sparring herauszufordern. Mit schmerzvoller Präzision versetzte er mir dann einen Hieb ins Gesicht. Obwohl ich das den Strafarbeiten vorzog, die Mademoiselle sich ausdachte und die mir die Finger verkrampften, etwa wenn ich zweihundertmal das Sprichwort aime bien, châtie bien abschreiben mußte, vermißte ich den guten Mann nicht, als er uns nach einem stürmischen Monat verließ.   - (nab)

Lehrer (6)  Wie oft wurde mir an's Herz gelegt, doch den Hegel zu studieren. Ich habe das Buch sechsmal in die Hände genommen und jedesmal fielen meine Blicke auf künstliche inhaltlose Phrasen, und nie hat mir Jemand sagen können, was denn der Hegel eigentlich wollte. Bakunin, später beim Dresdener Aufstande betheiligt, wollte mich z. B. in Zürich 1842 täglich eine Stunde über Hegel belehren. Die erste Stunde war ich gespannt, weil ich etwas erwartete, und mein Lehrer war zufrieden. In der nächsten Stunde kamen wir an das Wort Geist. Ich wollte mich nicht darüber hinausführen lassen, ohne daß mir der Sinn dieses Wortes, hier im Buche gebraucht, gehörig definiert werde. Ich wollte erst wissen, was Geist sei. Bakunin aber wollte, daß ich ihm einstweilen ohne diese Erklärung weiter folge. Ich versuchte es, aus purer Gefälligkeit für Bakunin, aber es ging nicht. Ich fühlte, daß mein Verstand auf diese Weise in der Irre herum geführt werde. Und das Studium der Hegelschen Philosophie hatte für mich ein Ende. - Wilhelm Weitling, nach: Unterhaltungen mit Bakunin. Hg. Arthur Lehning. Nördlingen 1987

Lehrer (7)   So richte denn zunächst, bitte, deine Blicke auf eine befremdende Tatsache, die sich aus dem Vergleich der Schüler Alexanders mit denen des Platon oder Sokrates ergibt! Diese beiden Männer unterwiesen Menschen, die hochbegabt waren und dieselbe Sprache hatten wie ihre Lehrer, die also, wenn nichts anderes, so doch Griechisch verstanden, und doch war die Zahl derer, die sich von ihnen überzeugen ließen, nur gering. Leute wie Kritias, Alkibiades und Kleitiphon stießen die Lehre von sich wie Zaum und Zügel und brachen zur Seite aus. Stattdessen prüfe Alexanders erzieherische Erfolge! Er erzog die Hyrkaner zur Eheschließung, und die Arachosier lehrte er den Ackerbau. Die Sogdianer brachte er dazu, ihren Vätern den Lebensunterhalt zu gewähren, statt sie totzuschlagen, und die Perser, ihre Mütter zu verehren, sie aber nicht zu ehelichen. Wahrlich, eine bewundernswerte Philosophie, um deretwillen die Inder griechische Götter anbeten und die Skythen ihre Verstorbenen bestatten und nicht mehr verzehren.  - (plu)

Lehrer (8)  Die Menschen essen sich selbst zum Gericht dauernd Stoffe, in denen die Neigungen zu andren Bewegungen und Kräften ganz lebendig sind, und in den Jungen ist dieses Viele ganz gewaltig, es macht den Eltern Mühe, das zu unterdrücken. Die Lehrer aber müssen nicht die Kinder erziehen, sondern sie müssen ihnen alle jene Keime abnehmen, die nicht gut in ein menschliches Leben passen, weil sie nicht stark genug durchzuführen sind. Deshalb gibt man die Kinder mit einer Menge andrer Menschen zusammen und jeder Erwachsene ist so ein wenig Spezialist in irgendwelchen Zügen und Eigenschaften geworden und hat er ein Kind berochen, so findet er an ihm Seelenzüge, die gut zu ihm passen, die er in sich, zu seinem schon Vorhandenen aufnehmen kann, und dann wird das Kind davon befreit. Das ist die Tatsache, weshalb die Lehrer immer mit einigen Schülern einen inneren Kontakt haben und weshalb sie alle so eigenartige Käuze sind.   - Ernst Fuhrmann, Der Geächtete. Berlin 1983 (zuerst 1930)

Lehrer (9)  «Warum machen Sie's nicht wie wir anderen auch, Rabbi, und finden sich mit den Dingen ab, wie sie sind?»

«Weil ich ein Rabbi bin», sagte er und fügte dann mit deutlicher Herablassung hinzu: «Und kein Lehrer.»

Hendryx lachte schallend über diese Herausforderung. «Aber Rabbi, ich dachte, gerade das wäre ein Rabbi. Ist das denn nicht die Bedeutung des Wortes - Lehrer ? »

«So ist es nicht gemeint. Ein Rabbi ist ein Kundiger des Rechts, das unser Leben bestimmen soll. Seine größte, überlieferte Aufgabe ist zu richten, aber gelegentlich erläutert er auch das Recht zum Nutzen seiner Gemeinde. Die Art Lehrer, an die Sie denken, die die Jungen und Unreifen zum Lernen antreibt, die Lehrer der Kinder - das ist etwas ganz anderes. So einen Lehrer nennen wir einen melamed, und das Wort hat eine abfällige Bedeutung.»

«Abfällig?»

«Ja, das stimmt. Sehen Sie, da die Juden praktisch seit Jahrhunderten zu hundert Prozent des Lesens und Schreibens kundig waren», der Rabbi sagte es mit Wohlgefallen, «könnte jeder unterrichten. Aber bei etwas, das jeder andere auch kann, ist das gesellschaftliche Ansehen oder der finanzielle Nutzen nicht sehr groß. Daher war der melamed üblicherweise jemand, der bei allem versagt hatte und endlich auf das Unterrichten der kleinen Kinder zurückgreifen mußte, um existieren zu können.» - Harry Kemelman, Am Dienstag sah der Rabbi rot. Reinbek bei Hamburg 1975 (rororo thriller 2346, zuerst 1973)

Lehrer (10)   Es gibt Mädchen, die den Trieb zur Liebe in sich haben, und ich habe blutjunge Unschuldslämmer gekannt, die lasterhafter waren als alte Strichmädchen. Arlette war ganz anders.

Ich weiß nicht, wer der Kerl ist, der ihr das alles beigebracht hat, aber ich ziehe vor ihm meinen Hut. Ich kenne mich darin aus, das habe ich Ihnen ja schon gesagt, und wenn ich behaupte, daß ich nie einer Frau begegnet bin, die so war wie sie, dann können Sie mir das schon glauben.

Er hat sie nicht nur alles gelehrt, sondern ich habe gemerkt, daß er sich auf Sachen verstanden hat, von denen ich selber bis dahin keine Ahnung hatte. Und das in meinem Alter! Bei dem Leben, das ich hinter mir habe! Ich habe so etwas nie erlebt.

Und ihr hat das alles Spaß gemacht, ich lege meine Hand dafür ins Feuer. Ich meine, nicht nur mit allen möglichen Männern ins Bett zu gehen, sondern auch ihre Nummer vorzuführen, die Sie leider nicht gesehen haben. Ich habe Frauen von fünfunddreißig oder vierzig gekannt, meistens welche mit einem kleinen Knall, deren einzige Lust darin bestand, die Männer aufzureizen. Ich habe Mädchen gekannt, die mit dem Feuer spielten. Aber nie so wie sie. Nie mit dieser Leidenschaft. Ich weiß, ich habe mich schlecht ausgedrückt. Aber es ist unmöglich, das jemandem genau klarzumachen. - Georges Simenon, Maigret und die Tänzerin Arlette. München 1972 (Heyne Simenon-Kriminalromane 4, zuerst 1950)

Lehrer (11) Der rote Schweizer konnte am besten von allen Speckjägern schmoren.  Noch niemand hat ihn mit einem Schwips gesehen.  Er bettelt seit einer Reihe von Jahren nicht mehr, sondern läßt diese Arbeit von seinen fünfzehn Schülern verrichten, die er auf die Fahrt schickt. Seine Schüler müssen ihm die Einnahmen bis auf den letzten Pfennig abliefern. Ist der Eleve nicht geschickt genug gewesen und hat er die vorgeschriebene Summe tagsüber nicht zusammengebettelt, so bekommt er am Abend Prügel anstatt Essen. Ais seiner Schule gingen bisher die tüchtigsten Kunden hervor, u.a. der Windhund, ein Däne, der vor dem Kriege der beste Schwarzfahrer war und sechsmal ohne Fahrkarte im Expresszug um die Welt reiste. Der rote Schweizer war der einzige mir bekannte Kunde, der nie im Kittchen saß. Er soll der Sohn eines Schweizer Nationalrates sein. Er rühmt sich mit Stolz, seit fünfzehn Jahren in keinem Bett geschlafen zu haben, nur immer im Freien, auch bei der unheimlichsten Kälte. Er hat ein zerzaustes rotes Judasgesicht und verkehrt außer mit seinen Eleven nur mit geschickten Landstreichern. - (szi)

Lehrer (12)  Mein Lehrer kam nur zur Schule, um beinahe ununterbrochen zu schlafen. Dieser Lehrer hieß Señor Traite, was auf katalanisch soviel bedeutet wie »Omelett«, und er war wahrhaftig in jeder Beziehung ein phantastischer Typ. Er  trug einen weißen Bart, der in zwei symmetrische Zöpfe aufgeteilt war, die so lang waren, daß sie beim Sitzen bis unter seine Knie reichten. Die elfenbeinerne Tönung seines Bartes war von gelblichen, ins Braune changierenden Stellen befleckt, die der Patina glichen, die sich auf den Fingerkuppen und Nägeln starker Raucher bildet und auch auf den Tasten gewisser Klaviere — die natürlich nie im Leben geraucht haben.

Was Señor Traite angeht, so rauchte er auch nicht. Es hätte ihn beim Schlafen gestört. Dafür schnupfte er aber Tabak. Bei jedem kurzen Aufwachen nahm er eine Prise kriminell riechenden Schnupftabaks, die ihn zu lauthalsem Niesen brachte, wobei er ein riesiges Taschentuch, das er selten wechselte, mit ockerfarbenen Flecken bespritzte.  - (dali)

Lehrer (13)  

Lehrer (14)  

Lehrer (15)   Oft hat er uns erzählt, wie ihm als Kind der Trieb die Sinne zu üben, zu beschäftigen und zu erfüllen, keine Ruhe ließ. Den Sternen sah er zu und ahmte ihre Züge, ihre Stellungen im Sande nach. In's Luftmeer sah er ohne Rast, und ward nicht müde seine Klarheit, seine Bewegungen, seine Wolken, seine Lichter zu betrachten. Er sammelte sich Steine, Blumen, Käfer aller Art, und legte sie auf mannichfache Weise sich in Reihen. Auf Menschen und auf Thiere gab er Acht, am Strand des Meeres saß er, suchte Muscheln. Auf sein Gemüth und seine Gedanken lauschte er sorgsam. Er wußte nicht, wohin ihn seine Sehnsucht trieb. Wie er größer ward, strich er umher, besah sich andre Länder, andre Meere, neue Lüfte, fremde Sterne, unbekannte Pflanzen, Thiere, Menschen, stieg in Höhlen, sah wie in Bänken und in bunten Schichten der Erde Bau vollführt war, und drückte Thon in sonderbare Felsenbilder. Nun fand erüberall Bekanntes wieder, nur wunderlich gemischt, gepaart, und also ordneten sich selbst in ihm oft seltsame Dinge. Er merkte bald auf die Verbindungen in allem, auf Begegnungen, Zusammentreffungen. Nun sah er bald nichts mehr allein. -- In große bunte Bilder drängten sich die Wahrnehmungen seiner Sinne: er hörte, sah, tastete und dachte zugleich. Er freute sich, Fremdlinge zusammen zu bringen. Bald waren ihm die Sterne Menschen, bald die Menschen Sterne, die Steine Thiere, die Wolken Pflanzen, er spielte mit den Kräften und Erscheinungen, er wußte wo und wie er dies und jenes finden, und erscheinen lassen konnte, und griff so selbst in den Saiten nach Tönen und Gängen umher.

Was nun seitdem aus ihm geworden ist, thut er nicht kund. Er sagt uns, daß wir selbst, von ihm und eigner Lust geführt, entdecken würden, was mit ihm vorgegangen sey. Mehrere von uns sind von ihm gewichen. Sie kehrten zu ihren Eltern zurück und lernten ein Gewerbe treiben. Einige sind von ihm ausgesendet worden, wir wissen nicht wohin; er suchte sie aus. Von ihnen waren einige nur kurze Zeit erst da, die Andern länger. Eins war ein Kind noch, es war kaum da, so wollte er ihm den Unterricht übergeben. Es hatte große dunkle Augen mit himmelblauem Grunde, wie Lilien glänzte seine Haut, und seine Locken wie lichte Wölkchen, wenn der Abend kommt. Die Stimme drang uns allen durch das Herz, wir hätten gern ihm unsere Blumen, Steine, Federn alles gern geschenkt. Es lächelte unendlich ernst, und uns ward seltsam wohl mit ihm zu Muthe. Einst wird es wiederkommen, sagte der Lehrer, und unter uns wohnen, dann hören die Lehrstunden auf. - Novalis, Die Lehrlinge zu Sais

Lehrer (16)   Mr Parkes war, wie Mrs Briggs Constable Walters gegenüber ganz richtig festgestellt hatte, schon recht klapprig und hatte wohl nicht mehr lange zu leben. In den letzten Jahren hatte er zu trinken angefangen, doch das machte, fand er, nun auch nichts mehr aus. Denn wenn er in gelegentlichen Momenten überaus großer Klarheit auf seine siebzig und mehr Jahre zurückblickte, so stellte er jedesmal bitter fest, daß er sein Leben vertan hatte. Er war Lehrer gewesen - zuletzt zwanzig Jahre Rektor einer Grundschule in Sussex -, doch sein pädagogisches Talent war nicht sehr ausgeprägt gewesen. Seine wahre Begabung hatte ganz woanders gelegen. Schon als Junge hatte er sich mit Leidenschaft auf alle möglichen kniffligen   Fragen   gestürzt,   stundenlang   über   Schach-   und Bridgeproblemen gebrütet, komplizierte Kreuzworträtsel ersonnen und sich an neuen mathematischen Beweisen versucht. Zu einem gescheiterten Leben gehört immer auch ein Traum. Mr Parkes' Traum war es gewesen, die Geheimnisse einer der toten Sprachen zu enträtseln. Des Etruskischen etwa oder der (Linear B>-Schrift, oder war es <C>? Er wußte es nicht mehr. Es lag alles schon so lange zurück. "Wenn damals vor dreißig Jahren die Universität sich bereit erklärt hätte, seine Forschungen zu finanzieren" ... - Colin Dexter, Die Toten von Jericho. Reinbek bei Hamburg 1986
 

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