ebenswerk  Maria Reiche war seit sieben Jahren in Peru, als sie Paul Kosok begegnete. Er hatte soeben die Linien von Nazca entdeckt, kehrte nun jedoch in die Vereinigten Staaten zurück. Als er ihr die Pampa zeigte und vorschlug, sie solle ihre Kenntnisse der Astronomie praktisch nutzen, wußte sie, daß sie ihr Lebenswerk gefunden hatte.

Fast vierzig Jahre lang hat sie den größten Teil ihrer Zeit in der Wüste verbracht. Sie nächtigt allein auf einem Bett aus Steinen im Freien, denn es regnet so gut wie nie. Sie hat eine verbrannte, runzlige Haut, wie sie jenen Menschen eigen ist, die in trockenen Gegenden leben. Sie ist über einen Meter und achtzig groß. Obwohl sie so dünn ist, hat sie gerade, muskulöse Beine. »Auf die eigenen Beine kann man sich immer richtig verlassen.« Ihr blondes Haar hat sich in ein strähniges Weiß verfärbt, aber ihre blauen Augen sind klar und lebhaft, und ihr Gesichtsausdruck, der zeitweise ziemlich grimmig sein kann, verrät mädchenhafte Naivität und Lebenslust. »Ich spüre die ganze Zeit, wie Dinge in mir keimen. Und das in meinem Alter! Dagegen war ich als junges Mädchen sehr unproduktiv.« Sie ist fest entschlossen, hundert Jahre alt zu werden, und behauptet, daß Menschen, die weite Sachen tragen, länger leben als andere. Sie ißt sehr wenig; zu einem mehrtägigen Ausflug brachte sie ein Päckchen Trockenmilch, ein paar Dosen Thunfisch, eine Stange Quittenpaste und ein Bund Bananen mit. Sie ißt kein Fleisch und verschmäht sogar eine Tasse Brühe; einmal immerhin hat sie in einem Restaurant ein Schildkrötensteak heruntergewürgt.

1968 veröffentlichte sie ein kleines illustriertes Buch über die Pampa mit dem Titel Geheimnis der Wüste. Sie ließ es selbst drucken und kümmerte sich um den Vertrieb. »Kein Verleger wird aus meinem Schädel Champagner trinken.« Das Buch lockte Besucher aus aller Welt an, und seither sind sie und die Pampa so etwas wie eine peruanische Institution geworden. Die meisten Menschen in Lima können sich immer noch nicht dazu durchringen, sie ernst zu nehmen. Für sie ist sie die »Verrückte mit den Linien«, eine fanatische Einsiedlerin, eine regionale Sehenswürdigkeit, die man auf der Fahrt nach Süden besichtigen sollte. Tatsächlich ist es ein recht komischer Anblick, wenn die alte Frau oben auf einer Aluminiumleiter sitzt und scheinbar ins Nirgendwo starrt oder wenn sie die Wüste mit stählernen Meßbändern vermißt.  - Bruce Chatwin, Was mache ich hier. Frankfurt am Main 1993 (Fischer - Tb. 10362, zuerst 1989)

Lebenswerk (2) »Ich war im Gefängnis, weil ich ein paarmal, ich gestehe: nicht ganz nüchtern, in halbfertigen Häusern oder Ruinen schlief. Einmal erwischte ich dabei die Garage einer Polizeistation. Ein Polizist pißte mir mitten in der Nacht - versehentlich, ich will nichts Unrechtes von der Polizei sagen, sicher versehentlich — ins Gesicht. Ich schrie auf. . . Aber das ist ja uninteressant. - Im Gefängnis jedenfalls gab es Wanzen. Die Wanzen brachten mich auf die Idee mit der selbsttätigen Zimmerreinigung. Wenn man, so überlegte ich, den Wanzen ganz kleine, winzig kleine Radiergummis unter die Füße bindet und sie dann im Zimmer ausläßt,  kriechen sie überall herum und radieren den Schmutz weg. Zwar sind Wanzen sehr leicht, können also beim Radieren keinen starken Druck ausüben, dafür sind sie aber hartnäckig und kriechen viel herum - oft über die gleiche Stelle, und dann macht es die Masse. - Ich entwarf also Pläne für die Befestigung der Radiergummis an Wanzenfüße. Kaum hatte ich meine Strafe abgesessen, tat ich mich mit einem gewissen Leisentritius zusammen - kennen Sie Leisentritius?«

»Nein«, flüsterte ich.

»Wie bitte ?« hauchte er - der Zug ratterte nämlich sehr laut.

»Nein«, flüsterte ich noch einmal.

»Es hätte ja sein können. - Nun, wir machten erst Versuche mit toten Wanzen, dann mit lebenden. Als ich einmal aus dem Haus ging, hat dieser Simpel Leisentritius sämtliche Versuchstiere aus Unachtsamkeit entkommen lassen - sie krochen überall herum, leider auch über meine Pläne und Konstruktionszeichnungen, und radierten alles aus. Beim Heimkommen fand ich sozusagen mein Lebenswerk vernichtet -«

»Dann haben Sie ihn erschlagen -« flüsterte ich.

»Leisentritius ? Aber nein -« - (ruin)

Lebenswerk (3) Ein erschreckter Hund bellte auf und knurrte. Ich sah Blut in der Abflußrinne, teils braun, teils scharlachrot, und ich roch den eigentümlichen Geruch der Karbolsäure. Dann sah ich durch eine offene Tür im gedämpften Licht eine unförmige Masse, die mühsam auf ein Gestell gebunden war: vernarbt, rot und bandagiert. Und dann erschien, diesen Anblick verdeckend, das Gesicht des alten Moreau, weiß und furchtbar.

Im Nu hatte er mich mit einer Hand, die rot besudelt war, an der Schulter gefaßt, herumgedreht und kopfüber in mein Zimmer zurückgeschleudert. Er packte mich, als wäre ich ein kleines Kind. Ich fiel zu Boden, und die Tür schlug zu und verbarg mir sein erregtes und verzerrtes Gesicht. Dann hörte ich, wie der Schlüssel im Schloß gedreht wurde und Montgomery schimpfte.

»Die Arbeit eines Lebens   ruinieren!« hörte ich Moreau sagen.  - H. G. Wells, Die Insel des Dr. Moreau. München 2009 (zuerst 1896)

Lebenswerk (4) 1. Von der Natur, 37 Bücher. 2. Von den Atomen und dem Leeren. 3. Von der Liebe. 4. Auszug aus den Büchern gegen die Physiker. 5. Gegen die Megariker. 6. Schwierige Fragen. 7. Hauptlehren. 8. Vom Wählen und Meiden. 9. Vom Endziel. 10. Vom Kriterium (Beurteilungsgrund) oder Kanon (Richtschnur). 11. Chairedem. 12. Von den Göttern. 13. Von der Frömmigkeit. 14. Hegesianax. 15. Von den Lebensweisen 4 B. 16. Vom Rechthandeln. 17. Neokles an Themista. 18. Gastmahl. 19. Eurylochos an Metrodor. 20. Vom Sehen. 21. Vom Winkel des Atoms. 22. Vom Tastsinn. 23. Vom Schicksal. 24. Ansichten über die Affekte an Timokrates. 25. Prognostiken. 26. Mahnschrift (Protreptikos). 27. Von den Bildern (Idolen). 28. Von der Vorstellung. 29. Aristobulos. 30. Von der Musik. 31. Von der Gerechtigkeit und den anderen Tugenden. 32. Von Geschenken und Dank. 33. Polymedes. 34. Timokrates 3 B. 35. Metrodor 5 B. 36. Antidor 2 B. 37. Ansichten über die Südwinde an Mithras. 38. Kallistolas. 39. Vom Königtum. 40. Anaximenes. 41. Briefe. - Werke des Epikur, nach (diol)
 

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