ebenskeim Das Wesentliche im Dasein sind Lebenskeime, die überall vorhanden sind und sich zu einer Gestalt kristallisieren mit jedem Stoff zusammen, der sich ihren Kräften erschließt. Gelangt der Lebenskeim in das Wasser, so kristallisiert er sich als Fisch.
Berührt er zugleich Wasser und Erde, so entsteht ein Frosch. Berührt er das
Feld oder den Berg, so entsteht zuerst eine Pflanze, aus deren Blättern bei
einer erneuten Belebung dann Schmetterlinge werden. Aus einem Baum und einem
uralten Bambusbusch, der keine Schößlinge mehr treibt, entsteht ein Leopard:
Aus diesem das Pferd und aus diesem der Mensch. Der Mensch aber, wenn er zerfällt,
bringt aus sich wieder alle anderen Wesen hervor. Diese Angaben sind eine kurze
Zusammenfassung aus chinesischer Quelle. Es geht aus ihr ein ganz konsequenter
und durchgedachter Animismus hervor, für den wir sonst auf der Erde keine literarischen
Dokumente haben, obwohl er viele Jahrtausende lang ohne Zweifel die bedeutendste
herrschende Lehre war. Wenn ein Baum lange gewachsen ist, so muß er einen Lebensgeist
durch sein Alter entwickelt haben, der als Gestalt so wenig nachzuweisen ist,
wie der Geist eines Menschen. Wenn aber dieser Baum eingeht, so wird sein
Lebensgeist der führende Same in einer neuen Geburt, die aus anderer pflanzlicher
Materie, die in Verfall ist, ein Tier zum Dasein bringen kann. Durch das Alter,
so heißt es immer wieder, werden die Wesen in ein höheres Stadium verwandelt.
Insekten, die tausend Tage alt sind, werden zu Vögeln, und damit kann nichts
anderes gemeint sein, als daß ihr hochentwickelter Lebensgeist zu neuen Verbindungen
geführt wird. Die Chinesen haben diese naturwissenschaftlichen Vorstellungen
dann im höchsten Grade ausgeprägt in ihrer Lehre über den Menschen selbst. Der
Mensch von hohem Alter ist in der lebenden Natur die Erscheinung von höchstem
Wert. Hier müssen sich die jungen Generationen bedingungslos unterwerfen. - Ernst Fuhrmann, Das Tier in der Religion. München
1922
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