Leben, schlaues   Eugens Nichte wurde von der blonden Nachbarin gefragt, was sie denke oder empfinde, wenn ihr Mann einmal fremdgehe, und sie antwortete: »Das ist mir doch egal. Wenn ich nur ein schlaues Leben habe!« Unter ›schlauem Leben‹ aber verstand sie: Nichts tun und sgenießen‹, hauptsächlich im weichen Sofa, dem Fernsehapparat gegenüber sitzend, eine Flasche Likör neben sich.

So hatte sie es vor ihrer Heirat gemacht und war dabei recht dick geworden. Jetzt aber hungerte sie streng bei Joghurt und bei Quark, während ihr Mann dick wurde und sie sagte: »Wenn er sich wohlfühlt, warum soll er nicht dick sein? Das ist mir doch egal.« Dabei machte sie jene schlenkernde Handbewegung, die auch ihrer Mutter und Eugen eigen waren, wenn sie jemand wissen lassen wollten, daß sie über etwas wegwerferisch dachten. Und er merkte wieder einmal, daß er nur zuschaute.   - Hermann Lenz, Seltsamer Abschied. Frankfurt am Main 1990

 

 

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