Laus, hypnotisierte    Ich haßte Mozart und hasse ihn noch, und um Ihm eins auszuwischen, spielte ich schlecht, schlug absichtlich falsche Töne an. Und dann kam die kleine Laus, eine echte Laus, die sich in meiner Winterwäsche verkrochen hatte. Ich zog sie hervor und setzte sie liebevoll auf eine schwarze Taste. Dann begann ich mit meiner rechten Hand ein munteres Tanzliedchen um sie herum anzuschlagen; der Lärm hatte sie offenbar betäubt. Sie war, so scheint es, von meinem flinken Feuerwerk hypnotisiert. Ihre tranceähnliche Unbeweglichkeit ging mir schließlich auf die Nerven. Ich beschloß, eine chromatische Tonleiter einzuschieben, und stieß meinen Mittelfinger mit voller Kraft auf sie hinunter. Ich erwischte sie mit solcher Wucht, daß sie an meiner Fingerspitze kleben blieb. Da bekam ich den Veitstanz. Damit begann das Scherzo. Es war ein Potpourri vergessener Melodien, mit Aloesaft und Stachelschweinsauce gewürzt, manchmal in drei Tonarten zugleich gespielt und immer wie eine Tanzmaus sich um die Unbefleckte Empfängnis drehend. Als ich später Prokofieff hörte, verstand ich, was in ihm vorgegangen war; ich verstand Whitehead, Russell, Jeans, Eddington, Rudolf Eucken, Frobenius und Link Gillespie; ich verstand, daß der Mensch, hätte es keinen Binominalsatz gegeben, ihn hätte erfinden müssen; verstand Elektrizität und Druckluft, von Sprudelbädern und Schlammpackungen ganz zu schweigen. Ich begriff deutlich, muß ich sagen, daß der Mensch eine tote Laus im Blut hat und daß, wenn man eine Symphonie, ein Fresko oder einen Hochexplosivstoff in die Hände bekommt, das wie eine Brechwurz wirkt, eine Reaktion, die nicht auf der Speisekarte vorgesehen war.  - (wendek)
 

Hypnotisierte Laus

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