aus  Ich habe eine Gruft von vierzig Quadratmeilen und einer entsprechenden Tiefe graben lassen. Dort ruht in unreiner Jungfräulichkeit eine lebendige Mine von Läusen. Sie erfüllt die Niederungen der Gruft und schlängelt sich dann in weiten dichten Adern nach allen Richtungen. Diese künstliche Mine stellte ich folgendermaßen her. Ich entriß den Haaren der Menschheit eine weibliche Laus. Drei Nächte hintereinander konnte man mich mit ihr schlafen sehen, dann warf ich sie in die Gruft. Die menschliche Befruchtung, die in anderen gleichen Fällen null und nichtig gewesen wäre, wurde diesmal vom Schicksal angenommen; und nach Verlauf einiger Tage erblickten Tausende von Ungeheuern in einem kompakten Knoten wimmelnder Materie das Licht der Welt. Der schaurige Knoten wurde mit der Zeit größer und größer und nahm zugleich die nüssige Eigenschaft des Quecksilbers an, während er sich zu mehreren Ästen verzweigte, die sich gegenwärtig ernähren, indem sie sich selber fressen (die Geburt ist größer als die Sterblichkeit), wenn ich ihnen nicht gerade einen neugeborenen Bastard, dessen Mutter den Tod herbeiwünschte oder einen Arm, den ich, dank dem Chloroform, einem jungen Mädchen über Nacht abschneiden werde, als Fraß vorwerfe. Alle fünfzehn Jahre nimmt die Zahl der Läusegeschlechter, die sich vom Menschen nähren, sehr stark ab, und sie selbst sagen als unfehlbar voraus, daß die Zeit ihrer vollständigen Vernichtung nahe sei. Denn es gelingt dem Menschen, da er klüger ist als sein Feind, ihn zu besiegen. Dann fördere ich mit einer Höllenschaufel, die meine Kräfte steigert, aus dieser unerschöpflichen Mine Blöcke von Läusen zutage, wie Berge so groß, zerschlage sie mit Axthieben und schaffe sie im Laufe finsterer Nächte in die Arterien der Städte. Dort, in Berührung mit der menschlichen Temperatur, lösen sie sich auf wie in den ersten Tagen, als sie in den gewundenen Stollen der unterirdischen Mine Gestalt annahmen, höhlen sich ein Bett in den Kies und rinnen in Bächen in die Behausungen gleich schädlichen Geistern. Dumpf bellt der Wächter des Hauses, denn ihm scheint, eine Legion unbekannter Wesen dringe durch die Poren der Mauern herein und bringe den Terror an die Stätte des Schlafes. Vielleicht habt auch ihr, wenigstens einmal im Leben, diese Art von schmerzlich anhaltendem Heulen gehört. Ohnmächtigen Auges versucht er das Dunkel der Nacht zu durchdringen; denn dies ist seinem Hundegehim unbegreiflich. Das dumpfe Summen reizt ihn, und er spürt Verrat. So fallen Millionen Feinde, gleich Wolken von Heuschrecken, über jede Stadt her. Sie reichen für fünfzehn Jahre. Sie werden den Menschen bekämpfen, indem sie ihm brennende Wunden schlagen. Nach dieser Zeit werde ich neue schicken. Wenn ich die Blöcke belebter Materie zerstoße, kann es vorkommen, daß ein Bruchstück von größerer Dichte ist als ein anderes. Seine Atome geben sich rasende Mühe, ihre Siedlung abzuspalten, um hinzugehen und die Menschheit zu quälen; dem widersteht aber die Festigkeit der blinden Kraft. Durch eine letzte Erschütterung bringen sie einen solchen Druck hervor, daß der Stein, da er seine lebendigen Urzellen nicht zertrümmern kann, sich selbst hoch in die Luft schleudert, als würde er von Pulver gesprengt, wieder herabfällt und sich fest in den Erdboden bohrt. Manchmal sieht der verträumte Bauer einen Meteor, der senkrecht, in Richtung nach unten, auf ein Maisfeld, den Raum spaltet. Er weiß nicht, woher der Stein kommt. Ihr aber habt jetzt, klar und bündig, die Erklärung des Phänomens.

Wenn die Erde mit Läusen bedeckt wäre wie der Meeresstrand mit Sandkörnern, dann würde die menschliche Rasse vernichtet werden, Beute furchtbarer Schmerzen. Welch ein Schauspiel! Ich mit Engelsflügeln, unbeweglich in den Lüften, um es zu betrachten. - (mal)

Laus (2) Läuse in geringer Zahl zu haben, sie am Körper oder in den Kleidern zu finden und sie zu töten bringt Glück. Man wird nach diesem Traumgesicht von jedem Kummer und jeder übermächtigen Sorge frei werden. Sind es aber viele und überviele, so ist das ein böses Vorzeichen und prophezeit langwierige Krankheit, Kerkerqualen oder große Not; denn unter solchen Verhältnissen vermehren sich bekanntlich Läuse. Wird man sie alle los und säubert man sich von ihnen, ist Befreiung von den genannten Übeln zu erhoffen. Wenn einer, der träumt, Läuse zu haben, aus dem Schlaf aufwacht, dürfte er verloren sein.   - (art)

Laus (3, eigene)  Fast alle vierfüßigen Tiere haben ihre eigenen Läuse. Die Vögel ihre, die Fische, ja die Insekten selbst oft ihre Läuse, alle auf verschiedene Art gebildet. Redi, der sie in seiner Abhandlung „De animalculis viventibus in animalibus vivis" abgezeichnet hat, kann Ihnen ganze Haufen davon weisen.

Die Bäume haben auch ihre eigenen Läuse (Apbides). Auf der Erle sehen wir ganze Zweige mit einer weißen Flocke oder Wolle bedeckt; aber wenn wir es genau betrachten, so sind es lauter Insekten  mit haarichten, zottichten, großen, weißen Schwänzen, mit welchen sie sich bedecken, damit die Vögel sie nicht auffressen mögen. In Engeland bekam ich einen Haufen rarer Bäume von Amerika. Als ich von da nach Holland segelte, fand ich auf dem einen Baume eine seltsame Laus, dergleichen ich vorher niemals gesehen hatte. Ich verwahrete sie vor der Kälte und dem Winde. Sie ward mit dem Baume in Cliffords Orangerie gebracht und daselbst von mir als eine Seltenheit verwahrt; aber nach einigen Wochen, und ohne daß ich das geringste davon wußte, hatte sie sich über das ganze Treibhaus ausgebreitet und beschmitzte nachher durch Übersendung des Baumes den Amsterdamer, Leydener und mehrere botanische Gärten.

Bücher und Bretter haben auch ihre eigenen Läuse (Pedicidus pulsatorius); wenn diese in ein wurmstichiges Brett oder Loch kommen, sitzen sie da und picken wie ein kleines Uhrwerk. Alte Weiber und Kinder, die es hören, meinen, es seien Heinzelmännchen oder Poltergeister.

Das Wasser hat auch seine Läuse (Monoculi), welche sich oft unglaublich vermehren, daß das ganze Wasser rot wird, daher oft ganze Dorfschaften in Holland geglaubt haben, daß das Wasser durch ein Wunder in Blut verwandelt wäre.  - Linné, Rede von den Merkwürdigkeiten an den Insekten, nach (lin)

Laus (4)  LAUS - Pou (Mikroskopische Wissenschaft). Die Laus hat eine so durchsichtige Hülle oder Haut, daß wir das, was in ihrem Körper vor sich geht, besser als in dem der meisten anderen kleinen Lebewesen erblicken können, was sie zu einem reizvollen Gegenstand für das Mikroskop macht. Sie besteht natürlicherweise aus drei Teilen: dem Kopf, der Brust & dem Hinterleib oder Schwanzteil. Am Kopf sieht man zwei feine schwarze Augen & vor jedem dieser Augen ein Horn; dieses Hörn hat fünf Gelenke & ist von Haaren umgeben. Am Ende des Mundes befindet sich ein spitzer Teil, der einem Saug- oder Bohrwerkzeug als Futteral dient. Dieses Werkzeug bohrt das Tier in die Haut, um aus ihr das Blut oder die Säfte zu saugen, von denen es sich ernährt, da es keinen Mund hat, der sich öffnen kann; es ist siebenhundertmal dünner als ein Haar & von einem weiteren Futteral umschlossen, das sich innerhalb des ersten befindet. Das Tier kann es nach Belieben ausfahren oder einziehen.

Seine Brust hat in der Mitte einen Fleck; seine Haut ist durchsichtig & voll kleiner Vertiefungen. Auf der Unterseite befinden sich rings um die Brust sechs Beine, die jeweils fünf Gelenke haben & deren Haut rauh zu sein scheint, außer am Ende, wo sie weicher wirkt. Jedes Bein endet in zwei hakenförmigen Nägeln von unterschiedlicher Größe & Länge; das Tier verwendet sie wie wir unseren Daumen & Mittelfinger; zwischen diesen Nageln & auf allen Beinen befinden sich Haare.

Am hinteren Ende des Schwanzteils erkennt man einige ringförmige Einschnitte, viele Haare & so etwas wie Male die den von Peitschenhieben hinterlassend! Rötungen ähneln. Die Haut des Hinterleibs scheint rauh zu sein & weist am unteren Ende viele kleine Vertiefungen auf' am Ende des Schwanzteils sieht man zwei kleine halbkreisförmige, über & über mit Haaren bedeckte Gebilde, die dazu dienen, den After zu verbergen.

Wenn die Laus ihre Beine bewegt, erkennt man die Bewegung der Muskeln, die sich alle in einem länglichen schwarzen Fleck in der Mitte der Brust vereinen; das gleiche beobachtet man bei der Bewegung der Kopfmuskeln, wenn sie ihre Hörner bewegt. Die Bewegung der Muskeln ist auch in mehreren Beingelenken sichtbar; ebenso kann man die verschiedenen Verzweigungen der Venen & Arterien sehen, die weiß sind. Am überraschendsten aber ist die peristaltische Bewegung der Eingeweide, die sich vom Magen über die Därme bis zum After fortsetzt.

Setzt man eine hungrige Laus auf den Handrücken, so bohrt sie ihr Saugwerkzeug in die Haut, & man sieht, wie das Blut gleich einem dünnen Strom in den vorderen Teil des Kopfes gelangt, von dort in eine runde Höhlung fällt & sodann in einen weiteren runden Behälter in der Mitte des Kopfes gelangt, von wo aus es durch ein kleineres Blutgefäß in die Brust & von hier in einen Darm fließt, der am Hinterleib endet, wo es in einer Biegung ein wenig nach oben zurückkehrt. In der Brust & im Darm bewegt sich das Blut unablässig mit großer Kraft, vor allem im Darm, wobei sich dieser so stark zusammenzieht, daß man darüber nur staunen kann.

Legt man eine Laus auf ihren Bücken, so sieht man zwei schwärzliche Blutflecken, einen größeren in der Mitte des Körpers & einen kleineren zum Hinlerleib hin. In dem größeren Fleck befindet sich eine weiße Blase, die sich oben & unten, vom Kopf zum Hinterleib zusammenzieht & ausdehnt; dieses Pulsieren setzt sich in dem schwarzen Blutfleck fort, an dem die weiße Blase befestigt zu sein scheint. Diese systolische & diastolische Bewegung laßt sich noch besser erkennen, wenn die Laus ermattet. Die derart pochende weiße Blase scheint das Herz zu sein, denn wenn man in sie hineinsticht, stirbt die Laus augenblicklich. Bei einer großen Laus kann man das Pulsieren durch den Rücken sehen, die weiße Membran jedoch nur dann, wenn man ihren Bauch nach oben dreht. Doktor Harvey vermutet, daß der hintere schwarze Fleck die Ansammlung der Exkremente in den Därmen ist.

Die Läuse sind keine Zwitter, wie man irrtümlich meinte, sondern männlichen & weiblichen Geschlechts. Leeuwenhoek fand heraus, daß die Männchen am Hinterleib einen Stachel haben, die Weibchen dagegen keinen, & er glaubt, daß der stechende Schmerz, den sie hin & wieder verursachen, wenn man sie quält, von ihrem Stachel herrührt; denn wenn man sie derb in die Hand nimmt, sieht man, daß sie ihren Stachel ausstrecken. Er sagt, daß er von ihrem Saug- oder Bohrwerkzeug kaum Schmerzen oder Unannehmlichkeiten verspürte, obwohl er sieben oder acht von ihnen gleichzeitig auf seiner Hand hatte, die dort ihre Nahrung holten. Die Weibchen legen Eier oder Nissen, aus denen die jungen Läuse vollkommen ausgebildet mit all ihren Gliedmaßen schlüpfen, & außer dem Wachstum machen sie keine anderen Veränderungen durch.

Derselbe Leeuwenhoek, der das Ausmaß & die Dauer ihres Wachstums erkunden wollte, steckte zwei Weibchen in einen schwarzen Strumpf & entdeckte, daß das eine innerhalb von sechs Tagen fünfzig Eier gelegt hatte; doch als er es sezierte, erblickte er noch sehr viel mehr davon im Eierstock, woraus er folgerte, daß sie innerhalb von zwölf Tagen hundert Eier gelegt hatte. Diese innerhalb von zwölf Tagen sich öffnenden Eier halten wahrscheinlich fünfzig Männchen & ebenso viele Weibchen hervorgebracht, & da die Weibchen nach achtzehn Tagen geschlechtsreif werden, hätte jedes von ihnen zwölf Tage spater, wie zu vermuten ist, seinerseits hundert Eier gelegt. Diese Eier hätten nach sechs Tagen Reifezeit eine junge Brutvon fünftausend Nachkommen hervorgebracht. Eine solche Vermehrung muß mit Läusen behaftete Menschen in Schrecken versetzen.

Man kann eine Laus in einem Wassertropfen auf einer Glasplatte sezieren, die sich unter das Mikroskop legen läßt; ohne Wasser ist es sehr schwierig, ihre Körperteile voneinander zu trennen, doch wenn man sie getrennt hat, werden sie gleich darauf runzlig & trocknen aus. Mit Hilfe des Wassers kann man im Eierstock eines Weibchens fünf oder sechs vollkommen ausgebildete Eier kurz vor dem Ablegen finden, zusammen mit anderen Eiern von unterschiedlicher Große, die aber sehr viel kleiner sind.

Bei der männlichen Laus fällt der Penis auf, ebenso wie die Hoden, von denen sie ein doppeltes Paar hat. Diese Tiere meiden soweit wie möglich das Lieht & mögen keine Kälte. Wenn die Weibchen schwanger sind, wirken sie wegen der Vielzahl der Eier weißer als die Männchen.

Die meisten Insekten sind von Läusen befallen, die ihre Nahrung aus ihnen saugen & sie plagen. Eine Art von Hirschkäfer, unter dem Namen escarbot pouüleux, Läusekäfer, bekannt, fällt durch die Vielzahl kleiner Lause auf, die sehr schnell auf ihm herumlaufen & die sich nicht abschütteln lassen. Auch einige andere Käfer haben Läuse, jedoch unterschiedlicher Art.

Der Ohrwurm wird häufig von Läusen geplagt, besonders unterhalb des Kopfes; sie sind weiß & glänzend wie Motten, aber sehr viel kleiner; sie haben einen runden Rücken, einen flachen Bauch & lange Beine.

Alle Arten von Nacktschnecken, insbesondere die großen, sind von äußerst flinken Läusen bedeckt, die auf ihnen leben & sich von ihnen nähren.

Häufig sieht man auf den Beinen der Spinnen viele kleine rote Läuse, die einen winzigen Kopf haben & einer Schildkröte ähneln; sie sind eng mit der Spinne verbunden, solange sie lebt, & verlassen sie, sobald sie tot ist.

Häufig entdeckt man auf großen Bienen & Ameisen weißliche Läuse, die sehr schnell auf ihnen herumlaufen; mehrere Arten von ihnen findet man auch auf Fischen. Kircher sagt, er habe Läuse auf Flöhen gefunden. Nur wenige Lebewesen sind frei davon; auf den Walen wimmelt es auf unglaubliche Weise von ihnen.

Drei Arten von Läusen hat man auf dem Falken gefunden, zwei Arten auf der großen Taube, der Turteltaube, dem Huhn, dem Star, dem Kranich, dem Wasserhuhn, der Elster, dem Beiher, dem Schwan, der türkischen Ente, der Möwe & der Wildgans; zwei Arten auf der Knäkente, dem Mauerfalken, dem Pfau, dem Kapaun, der Krähe, dem weißen Star & den Menschen; zwei Arten auf der Ziege, dem Kamel, dem Esel, dem afrikanischen Widder, dem Tiger & dem Hirsch &c., & beide Arten unterscheiden sich noch bei jedem Vogel & Tier. Die Laus des Löwen ist größer & roter als die Laus des Tigers. - Jaucourt, nach (enc)

Laus (5)  Nein, das Leben ist mir nur einmal geschenkt und wird sich nie wiederholen; ich will nicht das »allgemeine Glück« abwarten. Ich will selber leben oder lieber gar nicht leben. Und nun? Ich wollte nur nicht an einer hungernden Mutter vorübergehen und meinen Rubel in Erwartung des »allgemeinen Glücks« in der Tasche festhalten. Ich trage meinen Baustein zum allgemeinen Glück bei und fühle deshalb die »Ruhe des Herzens«. Haha! Warum habt ihr mich übergangen? Ich lebe ja doch nur einmal; ich will doch auch... Ach, ich bin eine ästhetische Laus und sonst nichts, fügte er plötzlich, wie ein Irrer lachend, hinzu. Ja, ich bin wirklich eine Laus, fuhr er fort, während er sich voll Schadenfreude an diesen Gedanken klammerte, darin wühlte, mit ihm spielte und an ihm seine Freude fand; und sei es auch nur deswegen, weil ich erstens jetzt darüber grüble, daß ich eine Laus bin; weil ich zweitens einen ganzen Monat lang die allgütige Vorsehung bemüht habe, indem ich sie als Zeugen dafür anrief, daß ich nicht zu eigenem Nutz und Frommen meine Tat unternähme, sondern mit einem großartigen, erstrebenswerten Ziel im Auge - haha! Und weil ich mir drittens vorgenommen hatte, bei der Durchführung so exakt wie möglich vorzugehen, Gewicht und Maß und Arithmetik zu beachten; von allen Läusen suchte ich mir die nutzloseste aus, und nachdem ich sie getötet hatte, wollte ich ihr nur ge-nausoviel wegnehmen, wie ich für den ersten Schritt brauchte, nicht mehr und nicht weniger - das übrige wäre dann wohl ihrem Testament zufolge einem Kloster zugefallen, haha! ... und deshalb, deshalb bin ich endgültig eine Laus, fügte er zähneknirschend hinzu, weil ich selbst vielleicht noch abscheulicher und widerwärtiger bin als die Laus, die ich getötet habe, und weil ich im voraus fühlte - daß ich mir das sagen würde, erst nachdem ich sie getötet hätte! - Fjodor M. Dostojewskij, Schuld und Sühne. München 1987 (zuerst 1866)

Laus (6)  Es lebt ein Ungeziefer, das die Menschen auf ihre Kosten ernähren. Sie sind ihm nichts schuldig; aber sie fürchten es. Dieses Insekt, das keinen Wein mag, sondern Blut vorzieht, wäre fähig, wenn man seine legitimen Bedürfnisse nicht befriedigte, durch okkulte Macht so groß zu werden wie ein Elefant und die Menschen zu zertreten als wären sie Ähren. Auch muß man sehen mit welchem Respekt, mit welch hündischer Verehrung man ihm begegnet, wie es größere Hochachtung genießt als die Tiere der Schöpfung. Als Thron wird ihrn das Haupt gegeben, wo es seine Krallen mit Würde in die Wurzeln der Haare schlägt. Später, wenn es Fett ansetzt und in ein vorgerücktes Alter tritt, tötet man es, den Bräuchen eines alten Volkes folgend, um ihm die Unannehmlichkeiten des Alters zu ersparen. Ein grandioses Begräbnis wird ihm bereitet wie einem Helden, und die Bahre, die es geradeswegs zum Deckel der Gruft befördert, wird von den vornehmsten Bürgern auf den Schultern getragen. Über der feuchten Erde, die der Totengräber mit kundiger Schaufel aufwirft, werden vielfarbige Phrasen über die Unsterblichkeit der Seele, über die Erbärmlichkeit des Lebens, über den unerforschlichen Willen der Vorsehung kombiniert, und dann schließt sich der Marmor für immer über diesem arbeitserfüllten Dasein, das nur noch eine Leiche ist. Die Menge zerstreut sich, und bald bedecken die Schatten der Nacht die Mauern des Friedhofs.

Aber tröstet euch, Menschen, über seinen schmerzlichen Verlust. Schon naht seine unzählige Familie, mit der es euch freigebig beschenkt hat, auf daß eure Verzweiflung weniger bitter sei und gleichsam besänftigt durch die angenehme Gegenwart dieser bissigen Mißgeburten, aus denen später herrliche Läuse werden, Lause von auffallender Schönheit, Ungeheuer mit der Allüre des Weisen. Unter seinem mütterlichen Fittich hat es mehrere Dutzend geliebter Eier ausgebrütet, und dies in euren Haaren, die von dem erbitterten Saugen dieser furchtbaren Fremdlinge ausgetrocknet sind. Schnell kam die Zeit, da die Eier zerplatzten. Fürchtet nichts, die angehenden Philosophen werden irn Laufe dieses ephemeren Lebens bald heranwachsen. Sie wachsen so sehr, daß sie es euch mit ihren Krallen und ihren Saugrüsseln zu spüren geben werden.

Ihr Menschen wißt ja nicht, warum sie nicht die Knochen eures Hauptes fressen und sich damit begnügen, mit ihrer Pumpe die Quintessenz eures Blutes zutage zu fördern. Wartet einen Augenblick, ich werde es euch sagen: weil sie nicht die Kraft dazu haben. Entspräche die Größe ihrer Kauwerkzeuge der Unbegrenztheit ihrer Wünsche, dann könntet ihr sicher sein, daß das Gehirn, die Netzhaut der Augen, die Wirbelsäule, ja, der ganze Körper verschlungen würde. Wie ein Wassertropfen. Beobachtet durch ein Mikroskop auf dem Kopf eines jungen Straßenbettlers eine Laus an der Arbeit; ihr werdet mir eure Meinung darüber sagen. Leider sind sie klein, diese Räuber des langen Haares. Als Rekruten wären sie untauglich; denn sie haben nicht die vom Gesetz vorgeschriebene Größe. Sie gehören zur Liliputanerwelt der Kurzschenkligen, und die Blinden zögern nicht, sie zu den unendlich Kleinen zu zählen. Wehe dem Pottfisch,-der es mit einer Laus aufnehmen wollte. Trotz seiner Große würde er im Handumdrehen verschlungen sein. Nicht einmal der Schwanz würde übrigbleiben, um von dem Ereignis zu berichten. Der Elefant laßt sich streicheln. Die Laus nicht. Ich rate euch nicht, diesen gefährlichen Versuch zu wagen. Wehe euch, wenn eure Hand behaart ist oder auch nur aus Haut und Knochen bestünde. Es ist um eure Finger geschehen. Sie werden krachen als würden sie gefoltert. Durch einen seltsamen Zauber verschwindet die Haut. Die Läuse sind unfähig, so viel Böses zu tun wie ihre Phantasie im Schilde führt. Wenn ihr eine Laus auf eurem Wege findet, dann geht vorbei und leckt nicht an den Papillen ihrer Zunge. Es konnte euch etwas zustoßen. Das ist schon vorgekommen. Wie dem auch sei, ich bin schon über die Menge des Bösen froh, was sie dir, o Menschenrasse, antut; nur wünschte ich, sie wurde dir mehr antun.

Wie lange wirst du den wurmstichigen Kult dieses Gottes bewahren, der für deine Gebete und großzügigen Gaben, die au ihm als Sühnopfer darbringst, unempfindlich ist? Sieh, dieser furchtbare Manitu ist nicht dankbar für die weiten Schalen voll Blut und Hirn, die du auf seinen, fromm mit Blumengirlanden geschmückten Altären vergießt. Er ist nicht dankbar... denn Erdbeben und Orkane wüten unablässig seit Anbeginn der Dinge. Und dennoch, ein Schauspiel, das der Beobachtung würdig ist, je gleichgültiger er sich zeigt, um so mehr bewunderst du ihn. Man sieht, daß du seinen Attributen, die er verbirgt, mißtraust, und dein Vernunftschluß stützt sich auf die Betrachtung, daß allein eine Gottheit von äußerster Macht, den Getreuen, die seiner Religion gehorchen, so große Verachtung entgegenbringen kann. Darum existieren in jedem Lande verschiedene Götter, hier das Krokodil, dort die Verkäuferin der Liebe; was aber die Laus betrifft, bei diesem heiligen Namen knien alle Völker gemeinsam im Vorhof des Tempels vor dem unförmigen, blutgierigen Götzenbild nieder und küssen universell die Ketten ihrer Versklavung. Das Volk, das seinen eigenen kriecherischen Instinkten nicht gehorchte und Miene machte, sich zu empören, würde früher oder später von der Erde verschwinden wie das Blatt des Herbstes, von der Rache des unversöhnlichen Gottes vernichtet.

O Laus, mit dem eingeschrumpften Augapfel, solange die Ströme das Gefäll ihrer Wasser in die Tiefen des Meeres ergießen; solange die Gestirne kreisend ihre Bahn ziehen; solange die lautlose Leere keinen Horizont hat; solange die Menschheit durch verderbliche Kriege sich selber zerfleischt; solange die göttliche Gerechtigkeit ihre rächenden Blitze auf diesen egoistischen Erdball schleudert; solange der Mensch seinen Schöpfer verkennt und ihn, nicht ohne Grund, mit einem Unterton der Verachtung verspottet, wird deine Herrschaft über das Weltall gesichert sein, und deine Dynastie wird ihre Glieder von Jahrhundert zu Jahrhundert vermehren. Ich grüße dich, aufgehende Sonne, himmlische Befreierin, dich, die unsichtbare Feindin des Menschen. Befiehl der Unreinheit weiter, sich dem Menschen in schamlosen Umarmungen zu vermählen und ihm mit nicht in den Staub geschriebenen Eiden zu schwören, in alle Ewigkeit seine getreue Geliebte zu bleiben. Küsse von Zeit zu Zeit das Kleid dieser großen Buhlerin zum Gedächtnis der wichtigen Dienste, die sie nicht versäumt, dir zu erweisen. Wenn sie den Menschen nicht mit ihren geilen Brüsten verführte, könntest du, das Produkt dieser vernünftigen und konsequenten Paarung, wahrscheinlich nicht existieren. O Tochter der Unreinheit! Sage deiner Mutter, daß ihr Dasein gefährdet wäre, wenn sie das Bett des Menschen verließe, um allein und ohne Halt auf einsamen Wegen zu wandeln. Mögen ihre Eingeweide, die dich neun Monate lang in ihren duftenden Wänden trugen, einen Augenblick beim Gedanken an die Gefahren, die infolgedessen ihrer so zarten, so freundlichen, so stillen, jedoch schon kalten und grausamen Frucht drohen, erschüttert sein. O Unreinheit, Königin der Weltreiche, bewahre den Augen meines Hasses das Schauspiel der unmerklichen Muskelzunahme deiner verhungerten Nachkommenschaft. Du weißt, um dieses Ziel zu erreichen, brauchst du dich nur noch fester in die Weichteile des Menschen zu pressen. - (mal)

Laus (7)   Wenn Cagancho zu seiner eigenen Zufriedenheit festgestellt hat, daß der Stier keine Gefahr für ihn bedeutet, wird er mi Stil, Anmut und völliger Sicherheit töten. Wenn er glaubt daß die leiseste Gefahr besteht, vermeidet er es, seinei Körper dem Horn zu nähern. Seine zynische Feigheit is die widerwärtigste Verneinung des Stierkampfs, die mai sehen kann, schlimmer noch als die Panik von Nino de la Palma, denn Nino de la Palma kann seine Manöver nicht mehr korrekt ausführen; er ist völlig entnervt vor Angst während alles, was Cagancho tut, wenn er Vertrauen hat als Modell und Illustration für die größte Vollkommenhei beim künstlerischen Stierkampf dienen könnte. Er produziert sich aber nur, wenn er sicher ist, daß keine Gefahr für den Mann, der mit dem Stier arbeitet, besteht; nicht nur daß die Chancen alle auf Seiten des Mannes sind, das genügt ihm nicht. Er riskiert nichts. Er muß davon überzeug sein, daß keine Gefahr existiert, sonst wird er seine capa zwei Meter entfernt schwenken, das Ende der muleta mi dem Stachel schwingen und, seitwärts anrennend, der Stier mit einem Stich umbringen. Er wird dies bei Stieren machen, die weder kriminell sind noch für einen Matador mit einer Durchschnittsbefähigung und ausreichendem Mut besonders gefährlich. Er hat nicht den Mut eine Laus, da er durch seine erstaunlichen körperlichen Gaben sein Wissen und seine Technik in der Arena viel ungefährdeter ist - vorausgesetzt, daß er sich nicht in die Nähe des Stiers begibt - als irgend jemand, der eine verkehrsreiche Straße überquert. Eine Laus riskiert etwas in den Säumen Ihrer Kleidungsstücke. Es kann sein, daß Sie sich mitten in einem Krieg befinden und gelegentlich entlaust werden, oder Sie machen mit Ihrem Daumennagel selbst Jagd auf die Laus, aber Cagancho kann man nicht weglausen.

Wenn es eine Kommission gäbe, die Stierkämpfer maßregelte und Matadore ausschlösse, so wie manchmal betrügerische Boxer ihre Lizenz entzogen bekommen, wenn ihre politische Protektion unzureichend ist, würde Cagancho vielleicht aus der Arena ausgewiesen werden; vielleicht würde er aber auch aus Angst vor der Kommission ein großer Stierkämpfer werden.  - Ernest Hemingway, Tod am Nachmittag. Reinbek bei Hamburg 2003 (zuerst 1932)

Kleinvieh
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