aune  Noch einmal schrie ich aus voller Brust in die Welt hinaus. Dann stieß man mir den Knebel ein, fesselte Hände und Füße und band mir ein Tuch vor die Augen. Ich wurde mehrmals hin- und hergewälzt, ich wurde aufrecht gesetzt und wieder hingelegt, auch dies mehrmals, man zog ruckweise an meinen Beinen, daß ich mich vor Schmerz bäumte, man ließ mich ein Weilchen ruhig liegen, dann aber stach man mich tief mit irgend etwas Spitzem, überraschend hier und dort, wo es die Laune eingab. - Franz Kafka, Tagebücher (3. August 1917)

Laune (2) Wieder zurück in Paris, setzte Ninon de l'Enclos sich in den Kopf, sich durchaus nur denen hinzugeben, die ihr gefielen; sie machte den ersten Schritt, sagte oder schrieb es ihnen. Sie hatte Sevigny, verheiratet, wie er war, ungefähr drei Monate, ohne daß es ihn etwas gekostet hätte als einen Ring von unbedeutendem Wert. Als sie seiner überdrüssig wurde, sagte sie es ihm und setzte Rambouillet für andere drei Monate an seine Stelle. Sie schrieb ihm schäkernd: «Ich glaube, ich werde Dich drei Monate lang lieben; das ist eine Ewigkeit für mich.» Als Charleval den Jüngling bei ihr traf, näherte er sich dem Ohr der Schönen und sagte: «Meine Liebe, das sieht mir ganz nach einer Eurer Launen aus.» Seither nannte man ihre Zugvögel ihre «Launen», und sie sagte zum Beispiel: «Ich bin bei meiner zwanzigsten Laune», um zu sagen «bei meinem zwanzigsten Liebhaber». - (tal)

Laune (3) Geistige Überlegenheit rät dazu, der Laune zuvorzukommen und sie zu korrigieren, da sie eine seelische Unpäßlichkeit ist. Der Weise muß sich hier wie bei denen des Körpers verhalten, wo er auch den Sirup nicht verschmäht, weil er bitter ist. Und da nur der kranke Geschmack das meint, korrigiert das die Urteilskraft. So also muß bei den ernsteren Stimmungsschwankungen verfahren werden.

Es gibt so extrem Unausgeglichene, daß sie immer in irgendeiner Laune sind, immer an einer Leidenschaft lahmen, unerträglich für diejenigen, die mit ihnen zu tun haben, Rabenväter der Konversation und Feinde der Leutseligkeit, die jeden Moment des Wohlbefindens verderben. Sie sind in der Regel entschiedene Gegner alles Guten und Fürsprecher allein der Dummheit. Für jedes Argument haben sie ein Gegenargument, sie widersprechen sofort dem, was der andere sagt, aus keinem anderen Grunde, als weil er es zuerst gesagt hat, denn wenn man ihnen nicht zuvorgekommen wäre, würden sie gerade damit triumphieren. Und wenn der andere klug nachgibt und sich sogar, um den Anstand nicht zu verletzen, auf ihre Seite schlägt, wechseln sie sofort auf die andere, so daß auch die größte Klugheit sich düpiert sieht. Sie sind ohne Zweifel schwerer heilbar als wirklich Verrückte, denn bei denen hilft es, auf ihr Thema einzugehen, bei diesen aber ist es viel schlimmer. Auch helfen hier keine Argumente: Weil sie keinen Verstand haben, lassen sie ihn auch nicht gelten. Wer nicht an die Geistesart dieser Leute gewöhnt ist - denn es gibt ganze Nationen, die von dieser Krankheit befallen sind -, wundert sich zunächst über eine so exotische Abartigkeit. Doch die Beobachtung extravaganten Verhaltens gerät ihm zur schönsten Unterhaltung, geht doch der Kluge, wenn er großmütig darüber hinwegsieht, aus allem mit Anstand hervor.

Wenn aber zwei mit derselben mißlaunigen Unverträglichkeit aufeinandertreffen und aneinandergeraten, halte der Kluge auf Abstand und greife nicht ein, denn ich garantiere ihm den höchsten Genuß, sofern er seine Haltung festlegt und von der Tribüne seiner Klugheit aus den Stierkämpfen fremder Dummheit zusieht. - (welt)

Laune (4) Der Umstand, daß der Kosmos so groß ist und daß in seinen Weiten schon soviel geschehen konnte, resultiert einfach daraus, daß es sich um eine Laune im allergrößten aller möglichen Maßstäbe handelt. Rasglas machte sich unverzüglich an die Berechnungen, um festzustellen, wann dieses fatale Ende eintreten würde, das heißt, wann die Materie, die Sonne, die Sterne, die Planeten, also auch wir samt der Erde wie weggeblasen im Nichts umkommen werden. Er überzeugte sich jedoch, daß er dies nicht voraussehen könne. Natürlich nicht, da es sich doch um eine Laune, das heißt um eine Abweichung von der Ordnung der Gesetze handelt! Das Entsetzen, das diese Entdeckung auslöste, trieb ihm den Schlaf aus den Augen. Nach längerem inneren Kampf machte er, anstatt seine kosmogonischen Arbeiten zu veröffentlichen, viele der hervorragendsten Astrophysiker damit bekannt, und die Gelehrten erkannten die Richtigkeit seiner Theorie und die sich daraus ergebenden Schlußfolgerungen an. Gleichzeitig jedoch äußerten sie in privaten Unterhaltungen die Ansicht, eine Veröffentlichung des Sachverhalts würde die Welt in ein geistiges Chaos, in Angst und Schrecken stürzen, deren Folgen die gesamte Zivilisation zerstören könnten. Wer würde noch etwas tun, würde auch nur den kleinen Finger rühren, wenn er wüßte, daß in jeder Sekunde alles mit ihm selbst verschwinden kann? - (lem)

Laune (5)  Montags den 10. Decembris 1770 setzte ich meinen Wahlspruch Whim fest. Denn ist es nicht Whim in dieser Welt einmal sein wollen, was wir sein sollen? Wir sind immer etwas anderes das von Gebräuchen der Vor- und Mitwelt abhängt, ein leidiges Akzidens eines Dings das keine Substanz ist. Ist denn die menschliche Natur ein Ding das seinen Kopf im Paradies und seinen Schwanz am andern Ende der Ewigkeit hat und dessen Glieder Homöomerien des Ganzen sind?  - (licht)

Laune (6)

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