Laubengang    Vauvenargues sagt einmal, daß es in den öffentlichen Gärten Laubgänge gibt, die hauptsächlich von dem enttäuschten Ehrgeiz aufgesucht werden, von den unglücklichen Erfindern, vom gescheiterten Ruhm, von den gebrochenen Herzen, von all jenen stürmischen und in sich verschlossenen Seelen, in denen noch die letzten Seufzer eines Gewitters grollen und die weit zurückweichen vor den unverschämten Blicken der fröhlichen und müßigen Menschen. In diesen schattigen Winkeln geben sich die Krüppel des Lebens ihr Stelldichein.

Gerade zu diesen Stätten lenken der Dichter und der Philosoph gern ihr lüsternes Vermuten. Dort liegt eine sichere Weide. Denn, wenn es einen Platz gibt, den zu besuchen sie verschmähen, wie ich soeben zu verstehen gab, so ist es vor allem der, an dem sich die Freude der Reichen äußert. Dieser lärmende Tanz im Leeren hat nichts Anziehendes für sie. Im Gegenteil, sie fühlen sich unwiderstehlich zu allem, was schwach, zerstört, bekümmert, verwaist ist, hingezogen. Ein erfahrenes Auge täuscht sich da niemals. In jenen starren oder müden Zügen, in jenen hohlen und matten, oder von den letzten Blitzen des Kampfes glänzenden Augen, in jenen tiefen und zahlreichen Runzeln, in diesem so langsamen oder ruckartigen Gang enträtselt er sogleich die unzähligen Legenden der getäuschten Liebe, der verkannten Aufopferung, der unbelohnten Bemühungen, des Hungers und der Kälte, die demütig, schweigend ertragen werden. Habt Ihr manchmal auf diesen einsamen Bänken Witwen bemerkt, arme Witwen? Ob sie Trauer tragen oder nicht, sie sind leicht zu erkennen. Übrigens ist in der Trauerkleidung des Armen immer etwas, das fehlt, ein Mangel an Ausgeglichenheit, der sie um so herzzerreißender macht. Der Arme ist gezwungen, mit seinem Schmerz zu geizen. Der Reiche trägt den seinigen von oben bis unten.

Welche Witwe ist am traurigsten und erweckt in uns die traurigsten Empfindungen, die, welche einen kleinen Jungen an der Hand schleppt, mit dem sie ihre Träumerei nicht teilen kann, oder die, welche ganz allein ist? Ich weiß es nicht... Es ist mir einmal vorgekommen, daß ich stundenlang einer solchen alten bekümmerten Frau nachgegangen bin; in ihrer starren Haltung, aufrecht, unter einem kurzen verschlissenen Umhang, trug sie in ihrem ganzen Wesen den Stolz einer Stoikerin zur Schau.   - Charles Baudelaire, Der Spleen von Paris. In: C.B., Die Tänzerin Fanfarlo und Der Spleen von Paris. Zürich 1977

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