atin lover Die Welt bestand für ihn aus »Ländern ohne Frauen« und »Ländern mit Frauen«. Sein Schicksal war, in einem Land der ersten Art zu leben; doch jedesmal, wenn er in die Eisenbahn stieg, fuhr er in eines der anderen Art. Reisen erschreckten ihn, denn er war ein seßhafter Mensch, rheumatisch, verträumt, gastropathisch, wie die Ärzte sagten, oder übersäuert, wie seine Mutter sagte. Aber der Gedanke an die Frau trieb ihn heftig an; und er reiste, nachts in einen Schal gehüllt, mit Koffern voller Heiligenbildchen und dem stets griffbereiten Magnesia.
Als erstes machte er eine lange Kreuzfahrt, weil er erfahren hatte, daß die
Mädchen in Holland auf den Gehsteigen saßen und die Passanten am Hosensaum zogen.
Im darauffolgenden Jahr reiste er nach Frankreich: der Winter war sehr streng,
und wenn er in den Hotels abstieg, fragte er noch mit dem Schal um den Hals
und den Koffern in der Portiersloge nach dem besten Arzt der Stadt; trotzdem
wollte er die Pariser Nachtlokale um jeden Preis im Winter besuchen. Er fuhr
nach Deutschland, als er hörte, daß die deutschen Frauen ihren Kopf auf die
Schulter des Mannes legten und dabei seinen Nacken streichelten. Bei jedweder
Nachricht, durch die sich ihm in irgendeinem Teil der Welt ein neues Frauenbild
entdeckte, brach er zu Reisen in die fernsten Länder auf. Wegen der ersten Frauen,
die Strandhosen trugen, reiste er bis nach Norwegen. Das Gerücht, manches Mädchen
bade gar nackt im Schwarzen Meer, trieb ihn bis Odessa. Der Bericht eines Kapitäns
auf großer Fahrt über die Sanftheit der Geishas, den er vom Nebentisch eines
Cafés hörte, trieb ihn bis nach Japan. Als mit dem Fortschritt jene Sitten,
deren erstmaliges Auftauchen er in fernen Ländern begrüßt hatte, endlich auch
bei den italienischen Frauen Einzug hielten, weilte er an den Küsten der Adna
und des Tyrrhenischen Meeres. Doch unternahm er seine häufigen Reisen nicht
nur im Sommer. An gewissen Wintertagen hörte man ihn auch mitten im Mailänder
Nebel husten. -
(
branc2
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Latin lover (2)
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